Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wie hältst du das eigentlich aus, immer mit kranken Menschen und Sterbenden zu tun zu haben? Das schüttelt man doch abends nicht so einfach aus den Kleidern!“ Das werde ich oft gefragt.

Als Pfarrerin geht es mir nicht anders als in jedem anderen sozialen Beruf. Wenn man andere Menschen begleitet, gehen einem immer Schicksale nach; das lässt sich kaum vermeiden. Und das finde ich das auch gar nicht schlimm. Ich habe mir ja mit Absicht einen sozialen Beruf ausgesucht; und da will ich eben auch mein Herz einbringen. 

Natürlich brauche ich dazu auch immer wieder Pausen. Abstand. Auch, um mir klar zu machen:
Es sind  ja nicht meine Krankheiten, mit denen ich mich beschäftige. Und es ist auch nicht mein Sterben. Es geht mir zwar nahe – aber es ist das Leid der an-deren. Ich begleite es nur.

Allerdings - eines erstaunt mich dabei immer wieder:
Eigentlich habe ich fast immer das Gefühl, ich bekomme mehr, als ich gebe. Und verlasse das Krankenhaus seltsam gestärkt. Vielleicht, weil ich es als ein unschätzbares Glück empfinde, wenn anderen Menschen mir vertrauen. 

Und noch etwas erstaunt mich immer wieder: Von den Kranken oder Sterbenden geht auch eine seltsame Kraft aus. Manchmal kommt sie aus einem Prozess der inneren Reifung: Da hat jemand aufgehört, gegen das Unabwendbare anzukämpfen. Hat es angenommen… Und ruht plötzlich in sich, dem Himmel näher…

Aus solchen Augen spricht manchmal eine Weisheit, die mir noch verborgen ist. Und eine Dankbarkeit, die mich berührt.

Die Bibel beschreibt das auf wunderschöne Weise. Da sagt Gott zu einem, der sich grenzenlos ohnmächtig fühlt: „Lass dir an meiner Gnade genügen. Denn meine Gnade ist in den Schwachen mächtig.“ (2.Kor 12,9)

Wer die Kontrolle an Gott übergibt, der erlebt offenbar eine ungeahnte Freiheit. Und einen ungeahnten Frieden. - Gnade, eben. Und etwas davon geht auf die über, die ihm nahe sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21817
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