SWR2 Zum Feiertag

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Zum Ostermontag

 Die Gottesdienste an Ostern sind  geprägt von frohem Osterjubel, vom kraftvollen Halleluja: „Christus ist erstanden“. Dabei sind in den Schriftlesungen dieser Tage auch andere Töne zu hören: „Er ist nicht hier“, sagt im Matthäus- und im Lukasevangelium der Engel zu den  Frauen, die zum Grab gegangen waren. Erst im zweiten Satz fügt der Engel, die zentrale Botschaft unseres Glaubens hinzu:  „Er ist auferweckt worden“.

Im Johannesevangelium fragt der Engel Maria von Magdala , warum sie weint  - und welche Verzweiflung bricht da aus ihr heraus: „Man hat meinen Herren weggenommen und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat“. Im heutigen  Evangelium begegnen uns zwei der Jünger Jesu, die noch ganz von Entsetzen und Furcht gezeichnet sind. So sehr sind die beiden in ihrem Schmerz gefangen, dass sie mit „Blindheit geschlagen sind“, wie der Evangelist Lukas schreibt. So sehr sind sie mit Blindheit geschlagen, dass sie den auferstandenen Jesus nicht erkannt haben, als er sich zu ihnen gesellte.

Über den Osterglauben, aber auch die Erfahrung  des „Er ist nicht hier“ spreche ich heute mit dem Jesuiten Franz Meures. Pater Meures war lange Jahre in der Ausbildung von Jesuiten-Novizen und anderen jungen Theologen tätig. Seit einigen Jahren leitet er das Bildungswerk der Ordensgemeinschaften in Deutschland „Ruach“ und bietet dort Kurse und Exerzitien an. 

Die zwei Botschaften von Ostern

Alexander Foitzik:
Pater Meures, manchmal sind mir die beiden Jünger, die in ihrem Schmerz von Blindheit geschlagen sind,  deutlich näher, als alle, die so vorbehaltlos jubeln können „Christus ist erstanden“ .  So wie mir auch der Apostel Thomas mit seinen Zweifel n so tröstlich nahe ist.  Wie geht es Ihnen damit?

Pater Meures:
Ja es sind zwei Hälften in diesem Osterglauben. Das Eine ist diese unglaubliche Botschaft, dass er lebt und das Andere ist eine Fremdheit. Das ist nicht mehr wie früher, es ist ganz anders. Das hat etwas Beunruhigendes und auch etwas Beängstigendes. 

„Er ist nicht hier“ und Glaubensnot

Alexander Foitzik:
Nimmt es denn der Auferstehungsbotschaft etwas weg, wenn wir uns ein bisschen länger bei diesen Erfahrungen aufhalten, bei der Erfahrung: „Er ist nicht hier“?

Pater Meures:  
Ganz und gar nicht. Es ist nämlich nicht einfach für sich selber klar zu kriegen, was glaub ich denn eigentlich an Ostern.  Es ist ja nicht so, dass wir einen Lebenden hatten, der gestorben ist, und merkwürdigerweise nach drei Tagen lebt er wieder, und jetzt geht das Leben so weiter wie vorher.  So ist es ja gerade nicht, sondern es gibt Anzeichen und  Vermutungen: „Ach – er könnte ja noch leben“. Und diese innere Unsicherheit von  „ha mal sehen“ und „man weiß es nicht“, die ist im Osterglauben mittendrin und deswegen lohnt es sich diesem „er ist nicht hier“ etwas genauer zuzuhören.

Alexander Foitzik:
Die Erfahrung „Er ist nicht hier“ oder die Erfahrung  „Gott ist nicht hier, Gott ist mir fern“ – solche Erfahrungen lassen sich demnach sicher nicht einfach als „Unglaube abtun“.

Pater Meures:
Würde ich nicht als Unglaube bezeichnen. Ich würde lieber das Wort „Glaubensnot“ benutzen. Viele Menschen, die ernsthaft auf einem Weg christlichen Glaubens sind, geraten immer wieder mal in diese dunkle Wolke. Verstehen sich und die Welt nicht mehr und wissen auch gar nicht mehr genau, woran sie denn jetzt glauben. 

Emmaus-Erfahrungen

Alexander Foitzik:
Pater Meures, sie begleiten in Ihrer Arbeit Ordensleute. Davor  waren Sie lange Jahre für die Ausbildung junger Jesuiten und anderer Theologen zuständig. Mal jetzt vor dem Hintergrund dessen, was sie jetzt gesagt haben etwas flapsig gefragt:  Begegnen Ihnen in Ihrer Arbeit häufiger auch sogenannte Profis, die  von solchen Erfahrungen der „Gottferne“ berichten?

Pater Meures:
Ja mir begegnen solche Menschen. Ich zögere etwas, sie Profis zu nennen. Ich möchte Sie nennen: Menschen, die sehr ernsthaft in ihrem Glauben unterwegs sind, und auch solche, die das in einem kirchlichen Beruf tun, also  Ordensleute, Priester, Laien, die in der Kirche im pastoralen Dienst wirken. Ich verbringe viel Zeit in der persönlichen Begleitung solcher Menschen und erlebe das immer wieder mal, dass jemand der jahrelang ruhig und irgendwie mit Kraft und Licht in seinem Glauben gegangen ist, auf einmal sagt: „Es ist, als wäre alles weggeputzt“.  Das ist sehr hart und meistens erschrecken die Leute sehr und  man muss sie ein Stück begleiten durch diese dunkle Phase.

Man hat ja auch in Emmaus den Eindruck, die Zwei halten sich erstmal gegenseitig fest damit sie das überhaupt aushalten, was passiert ist und wo sie noch klagen und lamentieren und trauern; in dieser Phase sagen sie später: „ Brannte uns nicht das Herz?“ Das überlagert sich. Sie sind sozusagen noch in der Trauer und Abschiedsphase weg von Jerusalem, und dabei ist Jesus auf neue Weise, auf andere Weise als der Auferstandene präsent. Sie merken das gar nicht. Was Sie merken ist, dass ihr Herz brennt, und das ist diese spezielle Weise des Glaubens.

Wissen Sie, schon der alte König Salomon, als er in Jerusalem den Tempel gebaut hat, sagte:  Seht die ganze Pracht, und das Innerste des Tempels aber ist im Dunkeln. Gott will im Dunkeln wohnen, sagt Salomon zum Volk. Und das ist der Kern der Osterbotschaft. Bei allem was wir an Zeugen haben, an Überlieferungen, an biblischen Texten die Mitte, wo ist der auferstandene Herr? Ist er für mich da? Das ist vom Dunkel umgeben, denn Auferstehung heißt ja nicht, vor gut 2000 Jahren ist er auferstanden, jetzt ist alles geregelt, sondern an den Auferstandenen zu glauben heißt ja „er ist jetzt da“. 

Ostern ist herausfordernd

Alexander Foitzik:
Wenn wir einmal die beiden zentralen Botschaften unseres Glaubens vergleichen: Gott ist Mensch geworden. Weihnachten und Christus ist auferstanden, also  Ostern. Ist die Osterbotschaft für den heutigen Menschen sperriger, ist  Auferstehung schwerer zu glauben als  Menschwerdung?

Pater Meures:  
Das könnte sein. Ich erlebe es auch so. An Weihnachten sind sehr viele Menschen, die sich angesprochen fühlen. Die zentrale Botschaft lautet:  „Gott lässt uns nicht im Stich, er kommt auf uns zu, er wird sogar Mensch und so kümmert er sich um uns. Er ist uns nahe und man kann ihn fast wie ein Kind aus der Krippe heben, ja. Das ist Weihnachten. Das tut den Menschen gut.

Ostern ist schwieriger, ist herausfordernder, denn der, den man kannte, der dem  die Jünger drei Jahre ganz gefolgt sind, alles verlassen haben, der ist plötzlich weg und zwar auch noch auf schändliche Weise zu Tode gekommen. Und da zu glauben, er lebt - und zwar im doppelten Sinne -und nicht nur, der ist damals wieder aus dem Grabe auferstanden, sondern der ist jetzt für mich als Auferstandener gegenwärtig - das ist ein starkes Kapitel unseres Glaubensbekenntnisses wo auch manche Menschen zögern.

Alexander Foitzik:  
Pater Meures, herzlichen Dank für dieses so offene Gespräch, das uns beide Seiten so warmherzig und menschenfreundlich gezeigt hat. Die dunkle Seite unseres Glaubens aber eben auch die Hellen, die an diesem Tag und diesen Ostertage

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21664
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