SWR1 Begegnungen

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1000 Kilometer pilgern – ganz ohne Geld

Ich treffe Brunhilde Schierl, einer Frau Mitte 60 aus Drosendorf
bei Bamberg, die vor zwei Jahren durch ganz Deutschland gepilgert ist. 1000 Kilometer, von Flensburg nach Konstanz. Mit einer Besonderheit: Sie war zweieinhalb Monate unterwegs –
ohne Geld. Keinen einzigen Cent nahm sie mit auf die Reise. Alles,
was man zum Leben braucht, hat sie unterwegs sich von
fremden Menschen erbeten. 

Ich hatte keinen Plan. Ich hatte natürlich jede Menge Zweifel und Ängste, man wird mich für verrückt erklären. Aber letztendlich habe ich’s dann gemacht und bin mit sehr viel Gottvertrauen aufgebrochen. Und in dem Moment, als ich in den Zug nach Flensburg gestiegen bin, waren auch alle Ängste verschwunden, auch alle Zweifel, und die kamen während der ganzen Reise nicht mehr.

In Flensburg angekommen, hat Brunhilde Schierl ihre letzten Euro in der Fußgängerzone an Obdachlose verschenkt. Auf ihren T-Shirts und auf ihrem Rucksack war ihre klare Botschaft für jedermann zu lesen: „Gottvertrauen stärkt!“  und ein solches Gottvertrauen braucht man, wenn man fast 100 Tage unterwegs ist – allein und ohne Geld.

Ich kenne eine ganz einfache Wahrheit aus meiner persönlichen Erfahrung: Mit Gott an der Seite kann ich mit jeder Herausforderung fertig werden. Gott macht mich frei von Ängsten und Zwängen. Irgendwie wollte ich dafür ein Zeichen setzen. Gott wieder ins Bewusstsein der Leute bringen und vor allem Gottvertrauen.

Wie kommt man auf die Idee, ohne Geld, nur mit den Kleidern am Leib und einem kleinen Rucksack loszumarschieren?

Mir kam plötzlich eine Bibelstelle ins Bewusstsein: In Lk 9, Vers 2 sagt Jesus zu seinen Jüngern: Zieht hinaus in die Welt, verkündet die Botschaft, heilt die Kranken, nehmt kein Geld und kein Brot mit.

Ohne Geld los zu pilgern, das nahm Brunhilde Schierl wörtlich. Von Flensburg nach Konstanz, ohne große Planungen, weiter, einfach immer weiter, wohin der Weg sie auch führen wollte. Ein einziges Abenteuer, denke ich mir. Ihre 4 Töchter und ihre Freunde ließ sie dabei im Unklaren.

Ich muss zugeben, ich hab’s niemandem verraten. Die haben nur gedacht: Ich laufe auf dem Jakobsweg, aber keiner wusste, dass ich ohne Geld unterwegs bin, Die hätten mich ja alle für verrückt erklärt und nur entmutigt.

Und Entmutigungen konnte Brunhilde Schierl nicht gebrauchen. Im Gegenteil: Trotz Schmerzen in Hüfte und Knien hat sie ihr Ziel nie aus den Augen verloren. Jeden Tag um ein Nachtlager zu bitten, Enttäuschungen in Kauf zu nehmen, immer neu um Gastfreundschaft  zu bitten – das stelle ich mir schwierig vor. Da kamen Brunhilde Schierl ihre Erfahrungen aus ihrem Ehrenamt zu Hilfe.

Ich kam mir auch nie als Bettler vor. Ich habe da keine Hemmungen, und das liegt an meiner ehrenamtlichen Arbeit: Ich habe immer für Obdachlose und andere Leute Spenden gesammelt und Aktionen und Projekte gehabt – da habe ich das Bitten bereits gelernt.

„Gottvertrauen stärkt!“

Brunhilde Schierl ist vor 2 Jahren durch ganz Deutschland gepilgert ist mit der einfachen Botschaft: „Gottvertrauen stärkt“. Ihr Gottvertrauen war so groß, dass sie ohne Geld fast 100 Tage unterwegs war. Suchte sie eine Übernachtungsmöglichkeit, sprach sie einfach Menschen auf der Straße oder im Garten an. Nicht immer war sie erfolgreich, doch die positiven Erfahrungen mit an sich fremden Menschen haben überwogen.

Die waren dann richtig dankbar, dass ich bei ihnen war. Die haben sich am Schluss wirklich bedankt, dass ich bei ihnen geklingelt und geklopft habe. Die haben mich verwöhnt nach Strich und Faden.

Derzeit steht Deutschland vor der Aufgabe, Tausende von Flüchtlingen aus dem Ausland aufzunehmen und unterzubringen. Deshalb erklärt mir Brundhilde Schierl,

Dass ich mit Ausländern eine unglaublich spontane Offenheit und Hilfsbereitschaft erlebt habe, mehr noch als bei meinen deutschen Landsleuten. Eine Russlanddeutsche hat sofort gesagt:  Sie nimmt mich auf. Die hat gesagt: Was mein ist, ist auch dein. Du kannst alles nehmen, was du willst.

Brunhilde Schierl war nicht einfach nur wandern. Sie hat ihre Reise als Pilgerfahrt verstanden. Wo immer es möglich war, kam sie mit Menschen ins Gespräch über ihren Glauben, ihre Zweifel und Ängste, aber eben auch ihr Gottvertrauen.

Es ist zwischen uns oft eine ganz besondere Nähe und Vertrautheit entstanden. Die hat die Leute glücklich gemacht. Mich auch! Das war etwas sehr Schönes. Ich hatte da immer das Gefühl: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Unterwegs kam sie in kirchlichen Gemeindehäusern unter, auch in Kinderzimmern hat sie übernachtet. Nicht immer war sie willkommen. Auch und gerade Kirchenleute standen ihr kritisch gegenüber. Man dürfe nicht in selbstverschuldeter Armut betteln gehen, sagten sie. Solche Stimmen gibt es noch immer.

Auch jetzt, in meiner Nachbarschaft, im Dorfe, viele lehnen das ab, was ich gemacht habe. Die haben einfach eine andere Vorstellung vom Glauben, und eine andere Vorstellung, wie man lebt. Das ist einfach so. Es ist nicht so, dass ich überall Anerkennung bekomme – keineswegs!

Und doch hat die Pilgerreise sie starkgemacht – im Glauben an Gott und im Glauben an das Gute im Menschen.

Solche Erfahrungen, die gibt es die ganze Zeit über während meiner Reise, dass immer, wenn ich an meine Grenzen geraten bin, ja, da ist da so ein Engel aufgetaucht, der mir genau das gegeben hat, was ich gebraucht habe. Es waren wunderschöne Erfahrungen.

Über ihre Reise hat Brunhilde Schierl ein Buch geschrieben. Und einige Interessenten standen von Anfang an fest:

Und das war dann auch mein Dank  (…) für alle, die mich aufgenommen und unterstützt haben. Und ich habe das Buch von Flensburg bis nach Konstanz persönlich verteilt an alle, die’s bestellt haben. Das war mein Dank und meine Wertschätzung für die Unterstützung.

Das habe ich von Brunhilde Schierl gelernt: Um Gott und den Menschen begegnen zu können, braucht es mitunter Mut. Ohne Geld einfach losmarschieren.

Lit.: Brunhilde Schierl, Zu Fuß und ohne Geld von Flensburg nach Konstanz, books on demand, Norderstedt 2014, 19,90 €.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20578
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