SWR2 Wort zum Tag

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„Mein Leben ist nur die Zeit in Polen“, sagt Olga, die als 24-Stunden-Kraft in einem Karlsruher Haushalt arbeitet. Dort betreut sie rund um die Uhr sieben Tage die Woche eine pflegebedürftige Frau, deren Kinder alle voll erwerbstätig sind. Frauen wie Olga stehen im Mittelpunkt einer Studie, die die Deutsche Bischofskonferenz kürzlich herausgegeben hat. „Wen kümmert die Sorgearbeit? Gerechte Arbeit in Privathaushalten“ ist sie überschrieben. Ein ungewöhnlicher Begriff: Sorgearbeit. Auch von Sorgearbeiterinnen ist die Rede, weil es tatsächlich meistens Frauen sind. Sie betreuen Kinder, pflegen alte Menschen, putzen, kochen, waschen, bügeln. Viele kommen aus andern Ländern, sind legal oder illegal hier. Das besondere: sie arbeiten im Haus, in der Wohnung ihrer Arbeitgeberinnen, auch die sind meistens Frauen. Also nicht in einem Betrieb, nicht mit Kollegen zusammen, und damit auch kaum geschützt. Deshalb beschäftigt sich diese kirchliche Studie mit den Sorgearbeiterinnen. Weil sie gesellschaftlich unbedingt notwendige Tätigkeiten verrichten und weil sie oft nur wenig Lohn bekommen und ihre Arbeit nicht entsprechend gewürdigt wird. Die Studie entwirft das Leitbild einer sorgenden Gesellschaft. Daß generell die Tätigkeiten für den Leib – ernähren, pflegen, saubermachen – aufgewertet werden, daß sie gleichen Rang bekommen wie Erwerbstätigkeit und damit auch stärker mit von Männern ausgeübt werden. Wenn selbstverständlich in der Biographie jedes Mannes und jeder Frau Zeiten mit Sorgearbeit vorkommen, wird diese Arbeit automatisch in der Gesellschaft mehr geschätzt. Dazu braucht es natürlich noch viel institutionelle und persönliche Phantasie. Für Kinder oder alte Menschen sorgen kann nur, wer im Beruf zeitlich beweglich ist und wer unterstützt wird durch betreuende Einrichtungen, Familie, Freunde oder eben bezahlte Arbeitskräfte, die ins Haus kommen. Und diese haben Anspruch auf angemessenen Lohn, geregelte Arbeitszeit und Freizeit, soziale Sicherung und eine Privatsphäre. In diesem Bereich gibt es sehr viel himmelschreiende Ungerechtigkeit. Auch deshalb finde ich es gut, daß die deutschen Bischöfe die Sorgearbeit in Familien zu einem eigenen Thema machen. Gerade die Zeiten des Sorgens für andere sind kostbare Lebenszeit – für alle Beteiligten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20243
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