SWR2 Wort zum Tag

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Vor 2000 Jahren hat der römische Philosoph Seneca über das Gewissen den folgenden Satz geprägt: „Es wohnt in uns ein heiliger Geist, ein Beobachter und Wächter alles Guten und Bösen in uns” Die Erfahrung ist offenbar schon alt, dass die Menschen in sich so etwas wie einen Wächter spüren, der sie vor Bösem bewahren will. Ein Wächter muß tatsächlich gut beobachten können, wachsam sein auf alles, was sich bewegt. Er muß Freund und Feind unterscheiden und Alarm schlagen, wenn Gefahr droht. Ein Wächter muß die Umgebung beobachten, und er muß seine Stadt gut kennen, um sie schützen zu können. Ein Wächter darf nicht schlafen und nicht bestechlich sein.

Von Wächtern und Wachen in der Nacht und bei Tag hing in früheren Zeiten das Wohl der ganzen Stadt ab.

Das Gewissen ist solch ein Wächter. Es tritt ja längst nicht nur in Aktion wenn wir etwas falsch gemacht haben. „Hört Ihr Leut` und laßt euch sagen, unsre Uhr hat 10 geschlagen.” Das Gewissen vermeldet wie die Wächter früherer Zeiten, was die Stunde geschlagen hat. Zum Beispiel: „Hier ist ein Mensch, der dich braucht.“ „Hier bahnt sich in der  Gesellschaft eine gefährliche Entwicklung an.“ „Gib acht! Jetzt bist du dabei, dir selber untreu zu werden.“ Das Gewissen braucht eine gute Mischung aus Gefühl und Nüchternheit.

Nüchtern und wachsam sehen, wie die Lage ist, in mir, um mich herum, am Horizont. Informationen einholen und abwägen. Empfindsam sein und doch nicht gleich überreagieren.

Schließlich kann wohl nur der ein guter Wächter sein, der seine Stadt auch liebt.

So ist das Gewissen nicht dazu da, mich kaputt zu machen, mich einzusperren, alles argwöhnisch zu beäugen, was ich tue. Im Gegenteil.

So wie der Wächter das Leben und die Freiheit der Stadt schützen soll, so soll das Gewissen mein Leben schützen und mir Handeln aus Freiheit ermöglichen.

„Es wohnt in uns ein heiliger Geist”, so beginnt Seneca seinen Satz über das Gewissen. Das heißt: Dieser Wächter ist nicht irgendein noch so treuer Angestellter, sondern es ist Gottes Kraft in uns, Gottes Wille, daß unser Leben gelingen möge.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20000
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