SWR4 Sonntagsgedanken

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Dämonen

Was treibt junge Männer dazu, sich in den Krieg zu stürzen? Sich einem Terrorkommando anzuschließen? Andere Menschen wahllos zu töten – ganz egal, ob sie Juden, Christen, Muslime oder überhaupt nicht religiös sind? Die Antwort fällt schwer. Sicher ist: Terroristen sind von Ideen besessen oder werden auch von anderen und ihren Ideen manipuliert. Diese Ideen und Vorstellungen sind so stark, dass sie dafür kämpfen, töten oder sich töten lassen.

Von etwas besessen sein. Das ist ein Bild, das auch die Bibel gut kennt. Sie spricht von »Dämonen«. Dämonen, das sind böse Geister, Schicksalsmächte. Sie wirken auf den Menschen ein, befallen ihn wie eine Krankheit. Sie sorgen dafür, dass Menschen anders sind, als sie eigentlich sein wollen. Dämonen sorgen dafür, dass sich Menschen anders verhalten und anders denken als die meisten anderen. Dämonen machen aus einem Menschen einen fremden Menschen. Kein Wunder, dass die dämonischen Menschen Angst machen und deshalb ausgegrenzt werden.

Dämonen treten in vielen biblischen Geschichten auf. Immer wieder kommen Menschen zu Jesus, die von Dämonen befallen sind. Und immer wieder treibt Jesus diese Dämonen aus. Wie das funktioniert? Dazu gibt es in den biblischen Texten keine Anleitung. Aber zwei wichtige Beobachtungen. Zum einen: Jesus setzt sich mit dem Dämon auseinander. Er sucht das Gespräch, den Kontakt, die Auseinandersetzung. Er nimmt den Dämon als eine Realität an.

Zum anderen: Jesus unterscheidet zwischen Dämon und Mensch. Er versucht, den Dämon zu vertreiben, auszutreiben. Versucht, den Menschen hinter dem Dämon zu entdecken.

Bei Jesus geht das immer gut aus. Die Dämonengeschichten enden stets mit einer Niederlage des Dämons. Und zum Vorschein kommt der Mensch. Ein Mensch, der von allem Dämonischen befreit ist. Von aller Angst, von aller Lust an der Macht, von aller Gier.

In den Dämonengeschichten steckt also ein starkes Bild vom Menschen. Im Menschen, das sagen die Heilungen durch Jesus, steckt das Gute. Aber das muss auch ans Licht kommen dürfen.

Das lese ich als Aufforderung. Ich erlebe ja heute auch, dass Menschen dämonisch sind oder dämonisiert werden. Zum Beispiel Terroristen, Gotteskrieger, Fundamentalisten. Die biblischen Dämonengeschichten aber halten mich an, durch all das Leid und das Böse hindurchzusehen. Zu sehen, dass Terroristen, Attentäter, brutale Kriegstreiber immer auch Menschen aus Fleisch und Blut sind. Menschen, die es brauchen, dass sie jemand als Mensch ansieht.

Gesund an Leib und Seele

Dämonische Menschen, das sind Menschen, die von einem Dämon, von einer fremden Macht besetzt sind, von Ideen, die auffressen, von Angst, Macht oder Gier. Darum geht es heute in den Sonntagsgedanken.

Dämonische Menschen treten in vielen biblischen Geschichten auf. Und Jesus, so erzählt es die Bibel, treibt diese Dämonen aus. Doch dieser Jesus ist kein Fließbandheiler. Er muss immer wieder Kraft sammeln für diese Aufgabe. Also zieht er sich zurück. Er betet, abseits der Menschen und Städte.

Die biblischen Geschichten machen deutlich: Um Menschen von ihren Dämonen befreien zu können, dafür braucht es eine Kraftquelle. Jesus findet sie im Gespräch mit Gott. Bei ihm gehört beides zusammen: Heilen und beten.

Wenn Jesus heilt und betet, dann macht er durch sich selbst deutlich: Es geht um den ganzen Menschen. Denn Jesus nimmt sich als Menschen ernst, als einen Menschen, der Auszeiten braucht – und er nimmt den Menschen ernst, den er heilt. Er widmet sich dem Kranken mit aller Energie, die er hat. Das heißt auch: Wer gesund an Leib und Seele sein will, wer nicht dämonisch werden will, der braucht Auszeiten. Braucht den Rückzug, die Besinnung.

Kein Wunder, dass das Prinzip von Beten und Arbeiten bis heute aktuell ist. Viele Mönche leben so. Und auch im ganz normalen Alltag ist dieses Lebensprinzip wichtig. Wenn Menschen ausbrennen, wenn die Arbeit sie auffrisst, wenn sie nicht mehr zur Ruhe kommen – das hat auch etwas Dämonisches. Dann übernimmt die Arbeit, dann übernehmen die Aufgaben die Herrschaft über den Menschen. Hier braucht es den Ausgleich.

Wenn heute Menschen dämonisch sind, als Terroristen und Bombenbauer, aber auch als Menschen, die bis zum Burnout arbeiten, die sich aufreiben im Alltag, dann stellt sich auch die Frage: Wie können wir verhindern, dass Menschen dämonisch werden? Die biblischen Geschichten antworten darauf: Es geht darum, den Menschen in ihnen zu entdecken. Nur so können sie heil werden an Leib und Seele. Und ich kann bei mir, ganz konkret vor Ort, alles dafür tun, dass Menschen nicht von Ideen oder ihrer Angst aufgefressen werden. Dass sich bei ihnen kein Dämon einnistet. Indem ich sie als Menschen ansehe und annehme.

 Bibeltext

Mk 1,29-39 

In jener Zeit ging Jesus zusammen mit Jakobus und Johannes in das Haus des Simon und Andreas. Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Sie sprachen mit Jesus über sie, und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr, und sie sorgte für sie. Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt, und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus. Und er verbot den Dämonen zu reden; denn sie wussten, wer er war. In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. Und er zog durch ganz Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb die Dämonen aus.

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