SWR3 Worte

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Was darf Satire? Fragt der Schriftsteller Kurt Tucholski. Seine Antwort:

Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht.
Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird,
und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort:
Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten.
Wir sollten nicht so kleinlich sein.
Wir alle – Volksschullehrer und Kaufleute und Professoren
und Redakteure und Musiker und Ärzte und Beamte …
wir alle haben Fehler und komische Seiten und kleine und große Schwächen.
Und wir müssen nicht immer gleich aufbegehren…
wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt.
Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein.
Das ist kein rechter Mann und kein rechter Stand,
der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann.
Er mag sich mit denselben Mitteln dagegen wehren, …
aber er wende nicht verletzt, empört, gekränkt das Haupt.
Es wehte bei uns im öffentlichen Leben ein reinerer Wind,
wenn nicht alle übel nähmen.
Was darf die Satire?
Alles.

Kurt Tucholsky:Gesammelte Werke in 10 Bänden. Herausgegeben von Mary Gerold-Tucholsky und Fritz J. Raddatz. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 1975. Band 2: 1919–1920. S. 42–44

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19138
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