Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie ist es möglich dem Hass auf diejenigen zu widerstehen, die einen fertig gemacht haben? Ein Vorbild ist für mich Yehuda Bacon, den ich zunächst nur auf einem Foto gesehen habe.
Das gütige Lächeln dieses alten Mannes mit den sanften Augen ließ mich nicht los.
Er stand inmitten des Holocaust-Mahnmals von Berlin und stützte sich mit der linken Hand auf eine der zahllosen grauen Stelen. Sein milder Gesichtsausdruck unter dem schlohweißen Haar schien gar nicht zu der bedrückenden Umgebung zu passen.
Weil ich wissen wollte, wer das ist, begann ich zu lesen.
Yehuda Bacon ist ein Überlebender von Auschwitz und war ein wichtiger Zeuge im Auschwitzprozess der 60iger Jahre.
Er hat miterleben müssen wie sein Vater im KZ vergast und verbrannt wurde.
Der damals 14jährige Junge hielt dieses Grauen fest. Er malte mit Kohle auf Papier den Verbrennungsofen und fügte in den aufsteigenden Rauch das Portrait seines Vaters ein. Dieses Bild des späteren Kunstprofessors ist weltbekannt. Es steht mitten in Yad Vaschem, der Gedenkstätte für die Holocaustopfer in Jerusalem.
Was diesen heute 85 jährigen Mann auszeichnet, ist sein ausgeprägtes gütiges Lächeln. Es lässt sich keine Spur von Bitterkeit entdecken. Über die Männer, die seine Familie auslöschten, und denen er im Prozess gegenüberstand, spricht er höflich.
Er sagt: „Wenn ich hassen würde, hätte Hitler gewonnen“.
Er wollte nicht zulassen, dass diese Schreckensherrschaft weiter Macht über ihn haben sollte.
Wie ist es möglich, dem Hass zu widerstehen oder ihn abzubauen?
Ein Weg davon frei zu werden ist Vergeben.
Yehuda Bacon ist der Satz wichtig: „Ich habe Gott immer vor Augen gehabt.“
Der Gott der Bibel ist der barmherzige Gott, der immer wieder neu bereit ist zu vergeben. In Psalm 103 heißt es: Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte. Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.
Diesen Gott hat Yehuda Bacon wohl vor Augen gehabt, um vergeben zu können. Und ich möchte auch Gott in seiner barmherzigen Art vor Augen behalten. Dann fällt es mir leichter, anderen zu vergeben. Yehuda Bacon hat mich mit seinem gütigen Lächeln angesteckt und sicher nicht nur mich.

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