SWR1 Begegnungen

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Teil 1

Und mit Bettina Jarasch. Sie ist Landesvorsitzende der Berliner Grünen und Mitglied im Bundesvorstand der Partei – und: bekennende und praktizierende Katholikin. Grüne Anliegen und katholische Überzeugungen zu vertreten, das war für sie nie ein Gegensatz, erzählt sie bei unserer Begegnung in der Berliner Bundesgeschäftsstelle der Grünen. Das ging schon in der kirchlichen Jugendarbeit in ihrer Heimatstadt Augsburg zusammen, sagt sie:

 Die meisten meiner Jugendgruppenleiterinnen, die ich kennen gelernt habe, haben eigentlich so grün getickt im Sinne von Bewahrung der Schöpfung, Kampf gegen Atomkraft und für Menschenrechte, und insofern war es einerseits Milieukatholizismus, andererseits jugendbewegt, was wahrscheinlich schon immer innerhalb der katholischen Kirche als radikal links gilt, und von da aus der Schritt zu den Grünen, der kam dann nach dem Studium, und als ich in der grünen Bundestagsfraktion als Referentin begonnen habe, habe ich zum ersten Mal festgestellt, dass grün und katholisch sein gar nicht so bruchlos zusammen passt wie ich das bis dahin immer angenommen hatte.

Dass sie als Katholikin und Grüne oft genug einen Spagat zwischen ihrer Kirche und ihrer Partei machen muss, räumt sie ein, denn natürlich gibt es bei den Grünen durchaus antireligiöse Strömungen. Das ist ihr zum Beispiel in der Beschneidungsdebatte aufgefallen und aufgestoßen, bekennt die 45-Jährige.

 Da kamen in der Gesellschaft insgesamt aber durchaus auch in meiner Partei sehr unschöne Töne hoch, die kamen dann manchmal als antisemitisch oder antimuslimisch daher, die waren in meiner Partei zum Teil einfach sehr antireligiös.

Dennoch: Bis jetzt geht das für sie immer noch zusammen, grüne Politik und kirchliches Engagement, sagt Bettina Jarasch, die sich sowohl als Pfarrgemeinderatsvorsitzende in Berlin-Kreuzberg als auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken ehrenamtlich in ihrer Kirche engagiert:

 Sonst müsste ich auch an meiner Kirche oder an meiner Partei sehr zweifeln, wenn das nicht möglich wäre, also es geht zusammen, es zerreißt mich nicht, im Gegenteil, man kann sogar sagen, immerhin hat mich ein sehr säkular und atheistisch geltender Landesverband wie die Berliner Grünen zur Vorsitzenden gewählt in dem Wissen, dass ich Katholikin bin, also es geht durchaus zusammen.

 Dass es bei allen Differenzen auch zusammen gehen kann, scheint mir auch an gemeinsamen Grundwerten bei Kirche und grüner Partei zu liegen. Die studierte Philosophin und Politologin bestätigt diese Einschätzung.

Die Grünen sprechen natürlich nicht von Bewahrung der Schöpfung, sondern wir reden von Ökologie und wir sprechen davon, dass wir die Erde von unseren Kindern nur geborgt haben oder so, dieses Verantwortungsgefühl was daraus spricht und was eben weit über unser Leben auch hinausgeht in unserem Fall, wir sprechen ja viel auch viel sogar von Verantwortung sogar für kommende Generationen und auch für Menschen in der ganzen Welt,  und das ist auch etwas wo ich finde, dass alle Leute die universalistisch denken eigentlich sehr viel gemeinsam haben und Katholiken im guten Sinnen sollten Universalisten sein.

Teil 2 

Aus dem noch katholischen Augsburg ins säkulare Berlin, engagierte grüne Politikerin und Pfarrgemeinderatsvorsitzende in Berlin Kreuzberg St. Marien Liebfrauen, das ist Bettina Jarasch. In Berlin, sagt sie, ist für die katholische Kirche schon längst Realität, was sich in anderen Regionen Deutschlands erst noch abzuzeichnen beginnt: Die Kirche ist keine Volkskirche mehr.

Hier in Berlin ist die Kirche wirklich in einer radikalen Minderheiten-Diaspora-Situation. Die Berliner Katholiken sind das auch schon lange gewöhnt, in Ost wie in West in dem Fall, und was das aber auch an Chancen mit sich bringt, das habe ich erst in meiner Gemeinde kennen gelernt, in meiner Gemeinde in Berlin Kreuzberg gibt’s eben sehr wenige Katholiken die so wie ich in so einem katholischen Milieu aufgewachsen sind ohne dass das jemals groß in Frage gestellt wurde von außen, aber es gibt dafür umso mehr Leute, die erst durch ganz persönliche Lebensweg oder Brüche in ihrer persönlichen Biografie zum Glauben gekommen sind, und die dafür aber dann sehr entschiedene und engagierte Gläubige sind und zwar im Sinne des Engagements für Arme und Ausgegrenzte und Schwache, und das gefällt mir.

In ihrer Gemeinde fühlt sich die verheiratete Mutter zweier schulpfichtiger Jungs zu Hause in der Kirche insgesamt sieht sie wie ich und viele andere Katholiken auch Reformbedarf. Dabei geh es nicht nur um Strukturen, sondern auch um Grundhaltungen. Bettina Jarasch beschreibt ihre Vision von Kirche so:

Das ist ne Kirche, die Liebe und Barmherzigkeit wieder sehr viel mehr ins Zentrum stellt und die etwas weniger ängstlich bemüht ist die Form durch die Zeiten zu tragen, obwohl natürlich die Form, das Gefäß sozusagen auch immer wichtig ist, dass wir dann auch wieder attraktiv werden und Zuspruch finden, ich glaub daraus kann man auch was Gutes machen.

Von dieser Hoffnung her ist es dann auchnicht mehr weit bis zum Kern ihres persönlichen Glaubens:

Ich glaub, der wirkliche Kern ist die Liebe, ist die Liebesbotschaft, ist der Glaube daran, dass die Liebe eine Kraft ist, die Dinge verändern kann, und der Heilige Geist auch als eine Kraft, die erstarrte Strukturen oder Verhältnisse oder Schützengräben zwischen Menschen aufbrechen und Dinge in Bewegung bringen kann.

Allerheiligen war auch für Bettina Jarasch lnge Zeit der Tag, an dem sie die Gräber der Lieben besucht hat. Das ist heute schwieriger geworden, seit sie fernab von der bayerischen Heimat in Berlin bekennt sie. Heute ist ihr an dem Tag ein anderer Aspekt wichtiger geworden.

Ich finde die Heiligen Geschichten die Lebensgeschichten von Heiligen, finde ich zum Teil sehr sehr beeindruckend, einfach weil ich zeitlebens auch in den Büchern, in den Romanen, die ich als Kind ganz viel verschlungen habe, eigentlich immer nach ethischen Vorbildern gesucht hab, an denen ich mich auch ausrichten kann, wenn es bei mir drum geht irgendwelche schwierigen Entscheidungen zu treffen, wo Mut und Tapferkeit, Treue oder sowas verlangt ist und so ähnlich kann man auch die Lebensgeschichten vor Heiligen lesen und in dem Sinn find ichs einen schönen Tag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18532
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