SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

- die Fähigkeit zu geben, was man nicht hat

Segen heißt: anderen Gutes zusagen

In rundeiner Stunde findetin meiner Gemeindeeine Pferdesegnung statt. Um 10 Uhr geht es los. Dann treffen sich in Malsch bei Wieslochüber 100 Reiter mit ihren Pferden. Auch Hunde, Katzen und einige Eselwerden dabei sein. Und ich mittendrin. Ich werde die Tiere mit Weihwasser besprengen und das Kreuzzeichen über sie machen. Seit über 50 Jahren gibt es diese Segnung bei uns und nach wie vor zieht sie viele Tierfreunde an. Die Leute kommen zum Teil von weit her und nehmen manche Strapaze auf sich, um sich und ihre Tiere segnen zu lassen.Das wundert mich manchmal ein bisschen, denn viele von ihnen gehen sonst nicht zur Kirche.Warum kommen sie dann aber zu einer solchen Segensfeier?

Ich denke da gerne an eine Geschichte aus den Dolomiten. Sie erzählt davon, wie die Menschen in einem kleinen Bergdorf sonntags von weit her zur Messewandern. Weil sie so lange unterwegs sind, kommen sie regelmäßig zu spät. Manche sogar erst zum Ende der Feier, so dass sie nur noch den Segen auf der Türschwelle mitkriegen. Das aber reicht ihnenscheinbar aus.

Zwei Dinge sind mir an dieser Geschichte wichtig:

Einen Segen bekommeich oft „auf der Türschwelle“, das heißt in „Schwellenmomenten“, in denen Neues beginnt, wenn ich aufbreche, zurückkomme oder an einer Lebenswende stehe.

Und: Einen Segen kann ich „mitkriegen“ – ganz wörtlich gemeint. Ich bekomme ihn mit wie eine Stärkung. Ich kann ihn heimtragen, diesen handfesten guten Wunsch für die nächste Zeit.

Segen meint also, anderenGutes zuzusagen an der Schwelle zu dem, was kommt. So wünsche ich Freunden „Viel Glück und viel Segen“ zum Geburtstag, wenn ein neues Lebensjahr beginnt. MeinerTochter wuschle ich morgens auf der Türschwelledurch die Haare und wünsche ich ihrdamiteinen guten Tag im Kindergarten.Möge sie gesund zurückkommen. Eine Art Wuschelsegen sozusagen; manche kennen denauchals Kreuzzeichen auf die Stirn. Bekannt sind auch die Wünsche aus Irland:irische Segenswünsche gibt esja für fast alle Lebenslagen.

Segne ich jemanden, wünsche ich ihm Gutes für Momente, die ich selbernicht in der Hand habe.Insofern kann ich gut verstehen, wenn die Leute nachher ihre Tiere von weit her in unsere Gemeinde bringen, um sie segnen zu lassen.Sie tun alles dafür, dass es ihnen gut geht – jetzt und in Zukunft. Und sie lassen ihren Tieren darüber hinaus etwas zusagen, das ihre eigenen Kräfte übersteigt:mögen ihre Schützlingegesund bleiben und ihren Besitzern Freude machen.

Für mich ist diese Tiersegnung jedes Jahr etwas Besonderes. Die vielen Menschen mit ihren Tieren zeigen mir nämlich,was auch ich mir ganz tief drin wünsche: Gutes für mich und meine Lieben; dass meinLeben gelingt.Danach sehne ich mich. Zugleich wird mir aber auch klar, dass ich das nicht allein in der Hand habe. Das macht mich manchmal unsicher, aber auch demütig und dankbar für alles, was mir in meinem Leben geschenkt ist.

Segen heißt das Pluszeichen Gottes vor sein Leben stellen

Heute Morgen findet in meiner Gemeinde eine Tiersegnung statt.Menschen kommen mit ihren Tieren zu uns nach Malsch, um ihnen Gutes zusagen zu lassen für eine Zukunft, die sie selber nicht in der Hand haben.

Ich selber spende zwar diesen Segen. Aber ich kann keineswegs garantieren, dass er auch wirkt, also dass dieses Gute auch eintritt und das Leben derergelingt, die ich segne. Was soll das Ganze dann aber?

Der Theologe Fulbert Steffensky hat sich einmal damit beschäftigt. Segen heißt für ihn:geben, was man nicht hat. Ein Segen verzichtet darauf nachzufragen oder zu zweifeln. Wer segnet oder gesegnet wird, denkt nicht darüber nach, was möglich ist oder nicht. Er fragt nicht, was er tun oder bewirken kann. Der Mensch lässt im Segen einfach los und gibt sich in andere Hände. Er überlässt sich Gott. Er ist es, von dem der Segen kommt. Steffensky schreibt dazu sehr anschaulich: Wer segnet oder gesegnet wird,„stürzt in den Abgrund des Schoßes Gottes.“

Sich in den Schoß Gottes stürzen, ihm sein Leben anvertrauen. Das ist ein starkes Bild, finde ich. Segen meint, sich ganz auf das zu verlassen, was Gott durch den, der segnet, durch dessen Segenswort und Segenszeichen zusagt: Gutes nämlich.

Zum Segen gehört normalerweise auch ein Segenszeichen – Weihwasser zum Beispiel oder ein Kreuz. „Segnen“ heißt „signieren“, also etwas„mit einem Zeichen versehen“.

Die Bibel kennt viele solche Zeichen, die über den Menschen hinausweisen und ihm Gutes versprechen: Kain, der Sohn von Adam und Eva zum Beispiel bekommt von Gott ein Zeichen mit, das ihn schützt – das sogenannte Kainsmal. Für Noah wird der Regenbogen zum Segenszeichen. Jakob sieht die Himmelsleiter und Moseden brennenden Dornbusch. Zeichen über Zeichen – bis das Zeichen kommt, das alle anderen einschließt und übertrifft: das Kreuz. Zunächst ist es das Zeichen des Todes, denn Jesus stirbt am Kreuz. Gott holt ihn aber aus dem Tod und machtdamit das Kreuz zum Zeichen für das Leben. Gesegnet sein heißt insofern, mit dem Kreuz bezeichnet oder eben: von Gott „signiert“ sein.

Es gibt dazu eine nette kleine Geschichte: Ein Jungegeht mit seiner Mutter durch die Stadt. Aus der Schule kennt erdie Pluszeichen. Als ihm die Kreuze auf den Kirchtürmenauffallen, fragt er nach: Mama, was sind das für Pluszeichen da oben?

Und genau darum geht es: Segen meint, sein Leben unter das Pluszeichen Gottes zu stellen. Segne ich jemanden, dann wünsche ich ihm dieses Plus, dieses Mehr an Gutem, das nur von Gott kommen kann.

Und so möchte ich auch Ihnen dieses Plus für den heutigen Sonntag zusagen und Sie segnen – mit einem Wort, das Sie sicher kennen und vermutlich selbst schon gebraucht haben. Ich empfehle Sie „zu Gott hin“, „ad deum“ auf Latein.Besser bekannt auf Spanisch und Französisch: Adiós, Adieu.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18368
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