SWR4 Sonntagsgedanken

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 Teil 1 – Farben – machen das Leben bunt

Welche Farbe hat eigentlich ein Denkmal? Also, wenn ich an Denkmäler und Statuen denke, dann sind die meist steingrau – Gebäude etwa - oder Figuren berühmter Persönlichkeiten auf einem Sockel. Heute ist „Tag des Offenen Denkmals“ und da geht es um das Thema Farben. Denkmal und Farben? - Das passt, sagen die Veranstalter. Denn „Farben können Geschichten erzählen“. Schon von frühester Zeit an haben Farben das Leben der Menschen im wahrsten Sinn des Wortes bunt gemacht. Die Höhlenmenschen haben Farben hergestellt aus dem, was sie an Blättern, Erde, Früchten und anderem gefunden haben. Und haben damit von ihrem Leben erzählt. Mit solcher Farbe haben sie ihre Geschichten an den Höhlenwänden aufgemalt: Das, was sie unmittelbar betraf, die Tierjagd etwa. Es sind Werke für die Ewigkeit. Farben haben schon immer auch eine wichtige Rolle bei der Kleidung gespielt: Die kostbarsten Farben waren den Herrschern vorbehalten: Purpur etwa. Schlichtes grau oder braun war eher etwas für Ärmere. Und wer heute etwas auf sich hält, der muss sich in der „Modefarbe“ kleiden – ob im Frühjahr oder Sommer, im Herbst oder im Winter: Farben bestimmen die Natur durch den Jahreslauf, sie sind das Spiel von Licht und Dunkel.

Und auch die Bibel ist voller Farben. Ganz am Anfang schon, als Gott in die Finsternis das Licht erschafft und so Tag und Nacht entstehen, die Grundordnung unseres Tageslaufs. Das Wort „Farbe“ sucht man in der Bibel allerdings fast vergebens. Aber einzelne Farben kommen natürlich immer wieder vor und haben ihre Bedeutungen: Das Rot des Blutes, das saftige Grün der Wiesen und Felder und viele andere Farben - bis hin zum Regenbogen, der mit seinen schillernd-bunten Farben ein Zeichen für die Verbindung von Himmel und Erde ist – als Zeichen, dass Gott die Menschen nie vergisst. So beschreibt es die Bibel. Der Regenbogen erinnert an den Bund, den Gott mit den Menschen geschlossen hat: Ich bin immer bei euch; ich lasse euch nicht allein, so trostlos und grau euer Leben auch erscheinen mag.

Auch in der Kirche gibt es solche „Farbenspiele“: Durch das Jahr kann man in den Gottesdiensten erkennen, welche „Jahreszeit“ gerade ist: An normalen Tagen im Jahr trägt der Priester im Gottesdienst etwa grüne Gewänder, auch das Tuch am Altar und manchmal auch die Gewänder der Messdiener sind entsprechend angepasst. Im Advent und in der Fastenzeit ist diese Farbe violett, an Feiertagen festlich-weiß oder golden, bei Beerdigungen und traurigen Anlässen schwarz. Wenn es um die Erinnerung an diejenigen geht, die für ihren Glauben Blut vergossen haben, ist die Farbe rot. Der Papst trägt weiß, Kardinäle rot, Bischöfe violett und so weiter.

Der Mensch zeigt durch Farben seine Stimmung. Farben begleiten uns durch das Leben. Sie tun uns gut. Sie bieten Abwechslung. Und sie erinnern uns daran, dass Gottes Schöpfung mehr zu bieten hat als unser Alltagsgrau. Gott sei Dank!

Teil 2 – Mit Farben die Kirche neue entdecken

Heute ist Tag des Offenen Denkmals. Und das Thema dabei sind die Farben. Auch viele Kirchen sind Denkmäler – und mehr: Sie sind lebendige Erinnerungsorte, in denen das Leben mit all seinen bunten Facetten spielt. Und so geht es auch in den Sonntagsgedanken um Farben und das, was sie mit uns Menschen – und mit den Denkmälern, die wir bauen, machen.

Im Bistum Mainz gibt es eine Aktion mit dem Namen „Glaubensfeuer“, dabei geht es auch um Farben. Mit Scheinwerfern wird dabei ein Kirchenraum in unterschiedliches Licht getaucht. Je nach Farbe erscheint der gleiche Kirchenraum ganz unterschiedlich. Dazu gibt es Musik und biblische Texte, die von Feuer, Licht und Wasser erzählen: Von der Erschaffung der Welt oder vom brennenden Dornbusch, der feurig-rot von einer Begegnung mit Gott kündet. Mit moderner Licht- und Showtechnik wird der Kirchenraum lebendig. Raffinierte Spots sorgen für wechselnde Farben und Formen an den Wänden, Säulen und Decken. So kann man den Kirchenraum besonders intensiv erleben und es entstehen phantasievolle Bilder. Und plötzlich ist es nicht mehr nur ein Event, sondern wird zum spirituellen Erlebnis.

„Glaubensfeuer“ ist dabei ganz bewusst als Name gewählt. Es geht darum, das zu entdecken, was in mir noch brennt. Der Funke der Sehnsucht, den viele – auch so genannte „Kirchenferne“ – gerade mit einem Kirchenraum verbinden. „Glaubensfeuer“ ist eine Entdeckungsreise zum eigenen Innern. Und auch zu dem, wie Kirche sich heute präsentiert: Grau und fahl wie manche Kirchenwände, oder eher bunt und feurig, wie es in der Lichtinstallation zum Ausdruck kommt. Auch mal tiefblau als Oase des Innehaltens und der Ruhe. Und mal brennend rot und gelb. Das „Glaubensfeuer“ ist ein Experiment. Es experimentiert aber nicht nur mit Licht und Musik und Raum und Klangfarben, sondern mit dem, wonach Menschen sich sehnen. Und es fragt mich und andere: Ist bei dir in Sachen Glauben schon der Ofen aus? Oder wofür brennst du eigentlich? Und so wird durch Farbe und Licht der Kirchenraum zu einer besonderen Erlebnisstätte des Glaubens. Zu einer wirklichen Neuentdeckung dessen, was eigentlich vertraut ist.

Dazu braucht es nicht immer die Scheinwerfer und Showeffekte. Da reicht vielleicht schon ein Sonnenstrahl durch ein buntes Kirchenfenster. Vielleicht passiert das heute auch beim „Tag des Offenen Denkmals“: dass die Besucher von Kirchen diese Orte in einem neuen Licht sehen. Ich wünsche mir, dass sich viele Kirchen bunt präsentieren, nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinn. Dass sie zu Erlebnisorten des Glaubens werden. Dass sie Farbe ins Leben bringen. Und dass sie offen sind für das, was Menschen suchen; offen für ihre Sehnsüchte und Sorgen, für ihre Anliegen und Fragen. Sie sind herzlich eingeladen zur Entdeckung: nicht nur heute, am Tag des Offenen Denkmals.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18272
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