SWR3 Worte

SWR3 Worte

Aus dem Buch „Schiffbruch mit Tiger“ von Yann Martel:

Ich liebte meinen Gebetsteppich. Es war nichts Besonderes daran, aber für mich war er ein Stück von großer Schönheit.  (…) Wo immer ich ihn ausbreitete, gewann ich sogleich das Fleckchen Erde darunter und die Umgebung lieb, und das ist für mich ein eindeutiges Zeichen, dass es ein guter Gebetsteppich war, weil er mir immer ins Gedächtnis rief, dass die Erde von Gott geschaffen ist und dass jeder Flecken auf ihr gleichermaßen heilig ist. Das Muster (…) war schlicht. Der Flor war weich. Wenn ich betete, waren die kurzen, unverknoteten Quasten am einen Ende des Teppichs nur Zentimeter von meiner Nasenspitze entfernt, am anderen Ende nur Zentimeter von den Zehenspitzen – eine anheimelnde Größe, mit der man sich überall auf dieser weiten Welt zu Hause fühlen konnte.

Quelle:
Yann Martel: Schiffbruch mit Tiger, Fischer-Verlag Frankfurt am Main, 2012, S. 101

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18089
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