SWR1 Begegnungen

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Michael Schieferstein ist gelernter Koch. Als „FoodFighter“ setzt er sich gegen Lebensmittelverschwendung ein und wehrt sich gegen einen „globalen Wegwerf-Wahnsinn“. Darüber hat sich Michael Kinnen von der Katholischen Kirche mit ihm unterhalten. 

Teil 1 Berufung zum „FoodFighter“ 

Es ist Fastenzeit. Viele verbinden das mit Verzicht auf Süßigkeiten und weniger Essen. Michael Schieferstein ist gelernter Koch. Er hatte tagtäglich mit Essen und Genuss zu tun. Und dann hat er mit einem Freund eine Weltreise gemacht und nachgesehen, wo die Lebensmittel herkommen, die er verarbeitet. Das hat ihn erschüttert. 

Dort hab ich die Armut direkt vor meinen Augen gehabt. Ich hab gesehen, wie Menschen in so großen Lagern arbeiten mussten, die mit Plastikkoppeln so gekoppelt waren, dass noch nichtmal diese Giftgase, das heißt diese Pestizide, wo sie das Gemüse oder was auch immer behandelt haben, dass das gar nicht abziehen konnte – und die Menschen dort diese Gase eingeatmet haben, und die meisten waren nach zwei bis vier Monaten, kann ich so schätzen, dass es so war, die sind elendiglich dran krepiert, verreckt.  

Das hat sein Leben verändert. Er wollte nicht mehr mitmachen in dem System von immer Billiger und immer Gieriger. Ich treffe ihn in einer Schulküche in Mainz, wo er Grundschülern einen bewussteren Umgang mit den Lebensmitteln beibringen will. Und da spricht er, der Koch, gegenüber mir, einem „von der Kirche“, von seiner „Berufung“.

Durch meine Berufung, wie ich jetzt einfach so sagen muss: Ich bin einfach ein Kämpfer und ich kann nicht anders als das Thema hier so anzugehen, damit endlich auch die Politiker wach werden und die Industrie auf die Knie gezwungen wird. Hier können die Verbraucher auch viel verändern, deswegen sind wir in diesem Projekt. Weil wir müssen das Elend an der Wurzel bekämpfen.

 Und das beginnt schon im Grundschulalter und davor. Wenn Kinder Lebensmittel nur verschweißt aus der Tiefkühltruhe und dem Kühlschrank kennen, wo sie immer und zu jeder Jahreszeit verfügbar sind, kann keine wirkliche Wertschätzung für die Nahrung entstehen. Das will Michael Schieferstein ändern. Eines seiner Themen: Der Wegwerf-Wahnsinn. Wenn das Mindest-Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, wird vieles weggeworfen, selbst wenn es noch bestens genießbar wäre. Beispiel Salz:

Wie kann ich einem Salz ein Mindesthaltbarkeitsdatum geben, wo das schon 1,6 Mio. Jahre in einem Berg gelegen hat? Auf einmal wird’s abgebaut, kommt in den Handel rein und dann ist es auf einmal nach anderthalb Jahren abgelaufen. Das geht gar nicht. Weil Sie könnten’s danach nochmal ne Million Jahre liegen lassen, das heißt, es könnten Ihre Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großkinder danach auch noch verwerten und es wäre noch genauso lecker, wie wenn ich es gerade gemacht hab.

Wir werfen zuviel weg, weil wir den Wert nicht wert-schätzen. Das betrifft nicht nur Lebensmittel, das geht bis hin zur Wertschätzung des Lebens selbst, wie Papst Franziskus einmal gesagt hat. Wir müssen also zurück zu einer neuen Achtung der Lebensmittel als „Mittel zum Leben“. Dafür setzt sich Michael Schieferstein ein.

Da sind wir dann wieder da, wo wir vor 40 Jahren mal waren. Selbst beim Brot hat meine Oma das letzte Stück noch verwertet und hat daraus – wenn’s sein muss – noch nen „Armen Ritter“ gemacht – oder irgendwas. Es ist schon wichtig, dass wir einfach nochmal mehr Leidenschaft zu den Nahrung wieder kriegen, und nicht einfach kaufen….

...kaufen und dann wegwerfen. Das führt in keine gute Zukunft. Und das will Michael Schieferstein ändern. 

 

Teil 2: Was kann jeder Einzelne tun? 

Wir werfen viel zu viel weg, das noch gut ist, Beispiel Nahrung. Die Welternährungsorganisation FAO spricht von jährlich 1,3 Milliarden Tonnen essbarer Lebensmittel, die produziert und sinnlos weggeworfen werden. Das geht bei uns Verbrauchern zu Lasten des eigenen Geldbeutels, wenn wir was kaufen, was wir am Ende gar nicht essen, und was dann in der Tonne landet. Viel mehr noch aber geht es zu Lasten der Ressourcen, die verschwendet werden – und das müssen die ausbaden, die eh nicht genug haben, sagt Michael Schieferstein.

Gehen wir mal genauer: Ägypten. Wie kann ich Kartoffeln in Ägypten waschen lassen? Die Menschen haben dort sowieso kein Trinkwasser mehr. Diese Massenverschwendung – nur weil ich da vielleicht nochmal fünf Euro mehr Umsatz machen kann. Das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Und deshalb versuche ich die Menschen aufzuklären, mehr regional zu bleiben.

Und da beginnt es schon, was jeder Einzelne tun könnte. Wer regionale Produkte kauft, vermeidet lange Transportwege, spart Energie und schont das Klima. Es geht aber nicht nur um „Öko-Aktivismus“, Christen würden eher von der „Bewahrung der Schöpfung“ sprechen. Michael Schieferstein will grundsätzlich etwas ändern:

Selbst wenn ich das Geld besitze, kann ich doch nicht hingehen und alles kaufen und wegschmeißen. Und dann kommt dazu: Wenn ich ein Joghurt kaufe, das 39 Cent kostet, oder 29 Cent oder 49 Cent: Was erwarte ich, was da drin ist? Wenn ich im Winter ein Erdbeerjoghurt kaufe: Wo sollen die Erdbeeren herkommen? Keiner überlegt sich, wo die Erdbeeren herkommen. Es gibt keine Erdbeeren in der Zeit!

Michael Schieferstein brennt für seine Sache, das merke ich ihm an. Das hört man auch, wenn er so schnell spricht, kaum Atem holt und seine Stimme sich fast überschlägt, wenn er redet. Für ihn ist Lebensmittelverschwendung eine schwere Sünde. Das regt ihn auf. Das will er ändern. Es geht ihm dabei um eine globale Ethik – die aber auf dem eigenen Teller beginnt. Und das muss man lernen. Deshalb trainiert der Koch Michael Schieferstein schon die Jüngsten, etwa in einer Mainzer Grundschule:

Und dann sitzen sie in der Gruppe, sie lernen Gemeinsamkeit, sie lernen, sich in der Gruppe zurechtzufinden - wie sagt man – in der Gruppe zu arbeiten, Projektarbeit zusammen zu machen und dann noch gemeinsam zu essen, mit Liebe zu essen, mit Genuss, die lecken sogar den Teller ab.

Wenn Kinder lernen, wie wertvoll das ist, was Gott in seiner Schöpfung  für alle bereithält, dann erinnern sie sich vielleicht auch als Erwachsene noch daran. Das können sie dann auch an ihre Kinder weitergeben. So wie es Michael Schieferstein tut, als Christ, als Koch und als Familienvater.

Ich möchte, dass meine Kinder auch in 30 Jahren noch Nahrung auf dem Tisch haben. Und momentan ist der Stand so, dass ich das nicht garantieren kann. Und deswegen kämpfe ich so aus Überzeugung. Und deswegen möchte ich, dass viele Menschen das Bewusstsein auch wieder kriegen, an ihre Kinder denken und an die Zukunft; vielleicht an ihre Enkel denken, weil dort wird das Problem kommen. Wir selber werden das nicht mehr erleben. Aber wenigstens zu wissen, dass meine Kinder noch versorgt sind, das möchte ich meinen Kindern noch auf den Weg geben. Und das ist der Grund, warum ich den Kampf so aufgenommen habe.

 

 

Infos: www.foodfighters.biz

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17335
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