SWR3 Gedanken

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"Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt."
Der Schriftsteller Albert Camus hat das mal gesagt. Ausgerechnet er. Er war ja ein erklärter Atheist. Er hat nicht mehr an Gott glauben können, weil er zu viel Leid gesehen hat. Zu viele unschuldige Kinder, die im Krieg und an Hunger sterben. Wo sollte da ein höherer Sinn sein? Fragt er.
Und dann sagt er: "Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt."
Ein „unbesiegbarer Sommer“ in sich. Vielleicht kennen Sie auch so jemanden. Den einfach nichts umhaut. Mir fällt dazu ein Freund ein. Er ist der coolste Lehrer, den es gibt. Weil er absolut gerecht ist, wie seine Schüler meinen, und weil man ihm nix vormachen kann.
Dieser Freund ist im Heim groß geworden. Seinen Vater hat er nie kennengelernt. Seine Mutter, eine einfache Putzfrau, hat ihn als 3-jährigen ins Heim gegeben, weil sie überfordert war.  Stoff genug für eine Knastkarriere. Aber er ist Lehrer geworden und ein sonniger Typ.
Ein unbesiegbarer Sommer in sich- die Psychologen nennen das „Resilienz“. Das ist eine Art seelische Widerstandskraft, eine Schutzhülle für die Seele. Resilienz, so die Forscher, entsteht vor allem dann in einem Kind, wenn es eine verlässliche und liebevolle Beziehung hat- zu wem auch immer. Ein Kind braucht tatsächlich nur eine einzige Beziehung, um trotz schwierigster Bedingungen seinen Weg gehen zu können. Bei meinem Freund war es eine Ordensschwester, die ihn begleitet und immer an ihn geglaubt hat. Und die ihm Liebe und Gottvertrauen einfach vorgelebt hat.
"Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt."
Man muss nicht an Gott glauben, um das zu erleben. Aber ich bin überzeugt: wer einen unbesiegbaren Sommer in sich hat, der ist Gott schon begegnet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17255
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