SWR3 Worte

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In einem Fischerdorf bekam ein Mädchen ein uneheliches Kind, und nach vielen Schlägen gab sie endlich den Namen des Kindsvaters preis: der Zen-Meister, der den ganzen Tag im Tempel außerhalb des Dorfes meditierte. Die Eltern des Mädchens, begleitet von vielen Dorfbewohnern, begaben sich zu dem Tempel, unterbrachen des Meisters Meditation, beschimpften ihn wegen seiner Heuchelei und erklärten, da er der Vater des Kindes sei, solle er nun auch die Last der Erziehung tragen. Der Meister antwortete nur:  „Sehr gut, sehr gut." Als die Menge abgezogen war, hob er das Baby vom Boden auf und vereinbarte mit einer Frau aus dem Dorf, das Kind auf seine Kosten zu nähren und zu kleiden. Der Ruf des Meisters war ruiniert. Niemand kam mehr zu ihm, um sich unterweisen zu lassen. Als schließlich ein ganzes Jahr vergangen war, konnte es das Mädchen, das das Kind geboren hatte, nicht mehr länger aushalten und bekannte, dass sie gelogen hatte. Der Vater des Kindes war der Nachbarjunge. Die Eltern und Dorfbewohner waren sehr zerknirscht. Sie warfen sich dem Meister zu Füßen, um seine Vergebung zu erhalten, und baten ihnen das Kind zurückzugeben. Und er sagte nichts weiter als: „Sehr gut, sehr gut." 

Der große Meister - von Anthony de Mello

Quelle: Zeiten des Glücks - Geschichten für Herz und Seele. Hrsg. v. Anton Lichtenauer. Herder Verlag Freiburg, 2011. S. 99

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