SWR2 Zum Feiertag

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Uwe Beck im Gespräch mit Karl Kardinal Lehmann

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Beck:

Herr Kardinal Lehmann, wir feiern Christi Himmelfahrt. Was genau feiern denn die Christen an Christi Himmelfahrt? 

Lehmann:

Zunächst muss man einmal klar sagen,  dass Auferstehung und Himmelfahrt im Kern dasselbe sind. Es sind verschiedene auseinandergelegte Phasen des einen Geschehnisses. Gemeint ist das, was die Bibel mit einem anderen, eigenen Wort bezeichnet, nämlich die Erhöhung. Erhöhung, dass der ungerecht Behandelte, der nicht im Tod geblieben ist, gerettet worden ist, bei Gott ist, und nicht nur das, sondern er sitzet zur rechten des Vaters, wie es in einer alten Sprache heißt schon vom Alten Testament her, und das heißt: Er ist auf der Seite Gottes und ist mit ihm auf derselben Höhe. Und deswegen die Rede von Christi Himmelfahrt. 

Beck:

Was feiern die Christen nicht? Welches Missverständnis könnte denn dieser Feiertag Christi Himmelfahrt provozieren? 

Lehmann:

Das schöne Wort von der Himmelfahrt reizt natürlich dazu, das auszumalen und auszugestalten. Die Religionen sind ja zum Teil sehr gesprächig, das es richtige Himmelsreisen gibt zu Gott mit verschiedenen Phasen und Stufen. Das alles ist natürlich nicht gemeint, denn im Kern ist es ein tiefes theologisches Wort. Man darf sich jetzt nicht einfach vorstellen - auch wenn das dann so geschildert wird - dass es dann einfach eine mit den Augen verfolgte Fahrt in den Himmel gewesen ist. Es geht nicht darum, dass damit ein bestimmtes Weltbild damit zugleich gerechtfertigt wird.

 Beck:

Es gibt sicher biblische Grundlagen für diesen Feiertag. Worauf kann sich die Kirche beziehen bei diesem Fest „Christi Himmelfahrt"?

 Lehmann:

Die biblischen Grundlagen sind zunächst mal nicht so eindeutig, denn solange man Himmelfahrt und Auferstehung eng zusammen sieht, dann ist auch die Zählung der Ereignisse danach unter Umständen anders. Also: Normalerweise wird gesagt: Die Zeit der Erscheinungen ist vorbei am 50. Tag, wo wir Pfingsten feiern. Dem steht gegenüber, dass es gleich am Anfang der Apostelgeschichte mit aller Klarheit heißt: „Ihnen (den Jüngern) hat Jesus nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen." (Apg 1, 3) Also wir haben die 50 Tage von der Auferstehung bis Pfingsten, dann feiert man sozusagen kein eigenes Christi Himmelfahrtsfest. Oder aber dass man noch eine Zwischenphase einlegt und dann 40 Tage zählt. Die Zahl 40 hat natürlich eine gewisse Heiligkeit, das gibt natürlich einen gewissen Unterschied, aber das darf nicht darüber hinweg täuschen, dass im Kern, in der Substanz dasselbe gemeint ist: Jesus ist gerettet und geht endgültig zum Vater. Und die Bibel kann das auch in anderen Worten sagen, zum Beispiel wenn sie sagt: Er ist aufgestiegen, er ist zum Vater gegangen - es müssen nicht immer die Vakabeln „aufsteigen", „auffahren" sein, sondern eben diese letzte Rettung beim Vater und die Herrschaft mit ihm. Von daher gibt es eine gewisse Spannung der Angaben in der Bibel selber.

 Beck:

Seit wann feiern denn die christlichen Kirchen beziehungswiese die Kirche diesen Feiertag?

 Lehmann:

Ja, das ist eine spannende Frage, die sich aus dieser Situation ergibt der 40 und 50 Tage. Bis zum III. / IV. Jahrhundert hat man kein eigenes Himmelfahrtsfest gefeiert. Aber wir wissen zum Beispiel durch Pilgerberichte in Jerusalem, die berühmte Aetheria, dass also doch schon spätestens im IV. Jahrhundert vor allem im Westen ein eigenes Fest eingeführt wird - Christi Himmelfahrt. Manche Kirchen im Osten haben das nie gefiert bis heute, aber die westliche Kirche hat das extra hervorgehoben, natürlich sehr stark gefördert durch die Angabe in der Apostelgeschichte, dass er 40 Tage hindurch er ihnen erschienen ist. Das war natürlich eine starke Legitimation. Von daher also ist es dann in die ganze Tradition hineingekommen.

 Beck:

Welcher Unterschied besteht für einen Laien zwischen der Auferstehung Jesu und seiner Himmelfahrt zum Vater?

 Lehmann:

Ich würde eben  den Unterschied nicht zu sehr hervorheben, denn man muss also sagen, was sagt das eigentlich für uns heute, und da würde ich einfach mal sagen, Jesus ist trotz dieses schändlichen Todes nicht einfach verloren, er ist von Gott und vom Vater gerettet, er ist endgültig bei ihm, er ist erhaben über den Himmel, er ist erhaben über Zeit und Raum, und - deswegen heißt das auch Himmelfahrt - er nicht mehr den irdischen Daseinsformen unterworfen, die wir in Raum und Zeit natürlich sehen, und er ist so in eine neue Herrschaft beim Vater gekommen, und diese Herrschaft ist auch nicht mehr zu verstehen mit unseren irdischen Vorstellungen, es ist, so möchte ich sagen, die Herrschaft der suchenden Liebe, einer neuen Form von Herrschaft, und das bedeutet dann auch Dienst, und insofern ist es eine neue Form von Herrschaft. Man darf auch ein weiteres Missverständnis nicht pflegen, dass nämlich die Himmelfahrt als ein Weggehen Gottes von dieser Erde, und ein Verachten irdischer Wirklichkeit gemeint sein könnte. Dafür hat die Fassung bei Lukas eine ganz wunderbare Pointe, wo er sagt: „Ihr seid Zeugend dafür" (Lk 24, 48), nämlich die Jünger, die zurückbleiben, und sagt: „Bleibt in der Stadt, bis ihr eine Kraft aus der Höhe erfahrt." (Lk 24, 49) Und dann heißt es sehr schön: „Dann erhob er seine Hände und segnete sie. Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben." (Lk 24, 51) Er geht, und zugleich segnet er. Und deshalb ist an unseren gotischen Kathedralen wunderschön, wenn man die Bilder von der Himmelfahrt sieht, Jesus ist der Welt und der Erde zugewandt, und das deckt sich auch gegenüber einem falschen Verständnis, in das man sich manchmal eingeschlossen hat, als ob dies alles gewissermaßen nur Ausdruck einer Sehnsucht in das Jenseits wäre. Den Männern wird ja auch in der Apostelgeschichte gesagt, sie sollen nicht zum Himmel empor sehen und dem davon gehenden Jesus nachgaffen. Da heißt es in der Apostelgeschichte: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen." (Apg 1, 11)

 Beck:

Dann hat ja der Feiertag Christi Himmelfahrt auch etwas überraschend Tröstliches für Menschen von heute?

 Lehmann:

Ja, ich glaube, wenn man da so versteht, dass es die Herrschaft der suchenden Liebe ist, dann besteht auch sogar eine besondere Zuwendung zur Welt, in dem ihr eben die Kraft von oben und ein Leben, das nicht zerstört wird, zugesagt werden.

 Beck:

Nun steht Christi Himmelfahrt in der Tradition kirchlicher, christlicher Feiertage, die heute von Menschen genutzt werden für Hobbies, die darin geradezu aufgehen. Wie kann es der Kirche gelingen, die kirchlichen Feiertage, auch Christi Himmelfahrt, wieder neu inhaltlich zu beleben?

 Lehmann:

Es ist kein leichter Weg heute, weil uns der Zugang zu so etwas wie Himmel oder Ewiges Leben ziemlich verschüttet ist, man muss das erst wieder frei schaufeln und zeigen, was das eigentlich bedeutet, dass wir dadurch auch mehr echte Zuwendung zur Welt haben, wenn wir uns nicht in sie einfach verkrallen und sie als etwas Absolutes erfassen, sondern wissen, dass Leben Gottes, das aus sich genommen werden kann, kommt auch in unsere Welt, kommt auch in das bitterste Elend letzten Endes. Aber es kommt natürlich vorläufig, unvollkommen, in kleinen Dosen, und deshalb ist es glaube ich ein sehr realistisches Fest, von dem ich überzeugt bin, dass wir es neu entdecken müssen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15249
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