SWR2 Wort zum Tag

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Trösten ist eine Grundaufgabe der Kirche. Wo sie nicht wahrgenommen wird, geht die Nähe zu Menschen verloren. In beiden großen Kirchen sind die immer größeren Seelsorgeeinheiten ein Problem, weil jedenfalls die hauptamtlichen Seelsorger den Kontakt zu den Menschen nicht genug pflegen können. Seelsorge ist allerdings nicht nur eine Aufgabe Hauptamtlicher. Trösten sollen alle, die Christen sein wollen. Warum das so ist, bringt Paulus auf den Punkt: Gott tröstet uns, damit wir trösten können. (2. Kor 1,4)
Wer in seinem Glauben also Halt findet und in den unterschiedlichsten Lebenssituationen Trost erfährt, soll auch trösten. - Aber ich finde: Trösten ist nicht nur den Christen aufgegeben. Gehört es nicht zum Menschsein, dass man sich selbst immer wieder als trostbedürftig erfährt - und dann auch einen Blick für andere Trostbedürftige hat? Aber wie tröstet man?
Ich denke daran, wie ich im Krankenhaus manchmal vor dem Zimmer eines Schwerkranken stand und Angst hatte. Wie werde ich den Kranken antreffen? Werde ich die richtigen Worte für ihn finden? Das Leid eines Menschen kann ja so groß sein, dass man nur noch verstummt. Wie kann man in solchen Situationen trösten?
Ich weiß, dass das Trösten damit anfängt, dass man einfach da ist, wenn ein Mensch Trost braucht. Man muss nicht immer etwas sagen; man kann es oft nicht. Aber man kann da sein, sich Zeit nehmen, mit einem Menschen, der trostbedürftig ist, schweigen, vielleicht seine Hand nehmen und ihn spüren lassen, dass man seine Hilflosigkeit mit ihm teilt. - Manchmal ist es gut, wenn man über die gemeinsame Hilflosigkeit klagt und dafür Worte findet. Es können auch fremde Worte sein, Worte, durch die Menschen vor uns ihr Leid geklagt haben. In der Bibel findet man sie in den Klageliedern der Psalmen, in der Menschen aus der Tiefe, wie es einmal heißt, aus Abgründen klagen. Das Besondere ist: In den Psalmen klagen Menschen vor Gott; vor ihm sprechen sie aus und ihm halten sie vor, was so weh tut. Und dann kommt es immer wieder zu einer überraschenden  Wende: Aus den Klagen wird Vertrauen oder Dank. Der verborgene Gott wird zum Gott des Trostes, der da ist und die Trostbedürftigen nicht allein lässt. - Ich erhoffe eine solche Erfahrung immer wieder für mich. Und wenn ich zu trösten versuche, vertraue ich darauf, dass auch andere sie machen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15222
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