SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

30DEZ2012
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Liebe Hörerinnen und Hörer,

der Sonntag nach Weihnachten wird in der Katholischen Kirche als Fest der Heiligen Familie begangen. Beim Blick auf die Krippe haben wir die Keimzelle des Glaubens, der Kirche und unserer Gesellschaft vor Augen. Es ist das Miteinander von Mann und Frau, das zum Füreinander wird. Es ist das Ja zum Kind, aus dem allen Menschen Zukunft wird. Das Zueinander der Personen an der Krippe vermittelt den Geist, ohne den eine Gesellschaft keine Perspektive hat. Der französische Dichter Antoine de Saint Exupéry bringt ihn ins Wort: „Eine Gemeinschaft ist nicht die Summe an Interessen, sondern an Hingabe." 

Solche Worte haben es außerhalb der Weihnachtskrippe schwer in unserer Gesellschaft. Wir sagen zwar, dass Weihnachten das Fest der Familie ist, im Alltag aber sieht die Wertschätzung oft anders aus. Der Beschaulichkeit an der Krippe mit der geschenkten Zeit füreinander steht der Druck gegenüber, unter dem Familien in unserer Gesellschaft stehen.

Mobilität und Flexibilität wird von vielen beruflich erwartet. Wo Familien den Erwartungen der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes zu entsprechen haben, bleibt Wesentliches auf der Strecke. Die in unserem Land in den letzten Monaten oft heftig und emotional geführte Debatte um das Betreuungsgeld hat bewusst gemacht, dass Familien mehr öffentliche und materielle Unterstützung brauchen; im letzen aber das wirklich Wesentliche unbezahlbar bleibt. An der weihnachtlichen Krippe kommt in den Blick, dass die Zeit, die Menschen füreinander aufbringen und haben, die Beschaulichkeit, die aus einer bewusst gesuchten Ruhe und Stille kommt, auf die notwendige Entschleunigung verweist, die unsere Gesellschaft braucht. Die Reaktion Marias auf die Worte der Hirten zeugt von einer Kontemplation, die ergründet und ergreift, was wirklich wichtig ist. Der Evangelist Lukas beschreibt diese Beschaulichkeit als eine Innerlichkeit, aus der im Leben das wirklich Große erwächst: „Maria bewahrte alles, was geschehen war in ihrem Herzen und dachte darüber nach." (Lk 2,19)

Die Zeit, die Eltern Kindern schenken, wecken in einem jungen Menschen Vertrauen und Zuversicht, Gelassenheit und Geduld, Beständigkeit und die Bereitschaft, sich einzubringen. Unsere Gesellschaft lebt im Tiefsten von diesen Investitionen, die mehr sind und wollen als finanzielle Unterstützung. Der Blick in die Krippe von Bethlehem kann zu einem Bewusstseinswandel bewegen, den unsere Gesellschaft so dringend braucht, wenn es um Bedingungen für mehr Gerechtigkeit geht. Wir brauchen eine Verständigung auf das, was vorrangig ist, wenn es um die Vermittlung von Werten und wirklichem Wachstum geht. 

Zukunft kommt mehr aus der Beschaulichkeit der weihnachtlichen Krippe als aus der Geschäftigkeit einer Gesellschaft, die den Blick für das Unbezahlbare zu verlieren droht, wo Ökonomisierung Familien immer mehr Zeit und Raum nimmt. Miteinander und Zueinander in Ehe und Familie erwachsen aus der Verbundenheit und Verbindlichkeit, die im Stall von Bethlehem aufleuchten. Unser Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden und hat eine menschliche Familie gewählt, um zu zeigen,

aus welcher Zelle wirklich Zeugen seiner Liebe erwachsen. Familien, die sich Zeit nehmen füreinander, lernen für andere da zu sein. Sie sind dann das, was Papst Benedikt XVI. vor einigen Wochen bei der Eröffnung der Weltbischofssynode über Ehe und Familie sagte: „Ein Evangelium, eine frohe Botschaft für die Welt von heute."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14512
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