SWR4 Abendgedanken BW

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„Selig sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden." Jesus hat das in der Bergpredigt gesagt. Ich finde: Das klingt nach Verherrlichung von Leid. Wer will schon Leid tragen? Getröstet werden schon, aber Leid tragen?
Andererseits: viele tragen Leid, manchmal sehr verborgen, sie lassen es sich nur nicht anmerken. Manchmal offensichtlich. Man muss nur hinsehen. Hunger und Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit: In der weltweiten Informationsgesellschaft ist das Leid nicht zu übersehen, wenn man die Augen nicht verschließt.
Und auch in meiner näheren Umgebung sehe ich Leid. Wer einen Angehörigen oder Freund hat, der schwer krank ist, oder selbst schwer erkrankt ist, der spürt, wie viel Menschen leiden.
Der kann vielleicht auch den Liederdichter und Pfarrer Paul Gerhardt verstehen. Der hat zu Beginn seines letzten Lebensjahrzehnts gedichtet:

„Was ist mein ganzes Wesen von meiner Jugend an
als Müh und Not gewesen? Solang ich denken kann,
hab ich so manchen Morgen, so manche liebe Nacht
mit Kummer und mit Sorgen des Herzens zugebracht."

Leid tragen. Was tröstet da? Sicher nicht, dass es anderen auch schlecht geht oder gar noch schlechter. Aber helfen kann es, dass ich weiß, mein Leiden ist nicht meine Schuld und es ist auch keine Strafe. Leiden gehört zum Leben. Man kann es nicht aus dem Leben verbannen. Man muss nicht gleich so vollmundig reden, wie es bei Paul Gerhardt im ersten Moment klingt:
„Es muss ja durchgedrungen, es muss gelitten sein;
Wer nicht hat wohl gerungen, geht nicht zur Freud hinein."
Nein, so kann ich nicht immer sagen. Manches Leid ist nicht mehr zu tragen. Aber Mut macht er mir schon dieser fast lebensmüde Dichter aus der schweren Zeit des 30 jährigen Krieges. Das Leiden trägt er. Er kämpft. Er lässt sich nicht klein kriegen und er rechnet mit einem guten Ende. Er setzt auf den Himmel und empfindet das nicht als ein billiges Vertrösten. Seine Hoffnung gibt ihm Kraft zum Kämpfen. Wie er will ich mich darauf verlassen: Am Ende wartet Gott auf mich. Der hilft mir durchhalten.

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