Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Wie viel wiegt die Seele? - eine scheinbar verrückte Frage, denn diese unsichtbare Substanz stellt man sich doch eher unstofflich, luftähnlich und gewichtslos vor. In einem makabren Experiment will ein amerikanischer Arzt herausgefunden haben, wie viel die Seele wiegt.
Vor rund 100 Jahren hat er das Bett mit einem Sterbenden auf eine fein messende Waage gelegt und festgestellt, dass der Sterbende zum Zeitpunkt des Sterbens 21 Gramm weniger gewogen hat. Und weil er geglaubt hat, dass die Seele nach dem Tod aus dem Körper entweicht, hat er von da an behauptet, dass die Seele eben 21 Gramm wiegen würde. Ob das nun nur verrückt- makabre Wissenschaft ist oder nicht, interessant finde ich an diesem Experiment den starken Wunsch, dieses so spürbare und doch nicht greifbare „Phänomen Seele" zu fassen. Tun wir aber nicht, können wir nicht, auch nicht mit den verrücktesten Experimenten. Wir können nur spüren und ahnen. Und mit unserem Spüren wie die Seele sich anfühlt entstehen unsere Vorstellungen. Davon wie unsere Seele in dieser Welt existiert, und in der anderen, so man daran glaubt. In der mittelalterlichen Kunst wurden die Seelen oft als nackte Körper dargestellt. Ein Bild dafür, wie hüllenlos, zart und verletzlich sie  gedacht wird.
Ein anderes Bild für die Seele ist das Wasser, oft verglichen mit dem Meer oder einem See, auf dessen Grund man nur sehen kann, wenn er unbewegt ist. Wasser auch als Bild dafür, wenn die Trauer wie in Wellen über die Seele kommt. Oder die Liebe sie überschwemmt wie ein reißender Strom.
Die Seele ist der innere Raum des Menschen, sein Zentrum, das ihn zuinnerst ausmacht und von dem er sich nach Gott ausrichten kann. Die Seele des Menschen sendet und empfängt Signale, die nur zu sehen, zu hören oder zu spüren sind, wenn er zur Ruhe kommt. Oder wenn eine Grenze erreicht ist. Die Grenze der Kraft, die Grenze der Belastbarkeit oder die Grenze dieses Lebens, dieser Welt. Der Dichter Josef von Eichendorff hat das seelische Grenzgebiet zwischen dieser und der anderen Welt sehr schön in seinem Gedicht „Mondnacht" beschrieben: 

„Es war als hätte der Himmel
die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis'  die Wälder,
so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit die Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14157
weiterlesen...