SWR1 Begegnungen

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Auf dem Pilgerweg

Marc Forster ist 29, Musiker, lebt in Berlin und hat einen vollen Terminkalender. Trotzdem ist er ganz entspannt und gut gelaunt. Als ich ihn treffe, ist er unterwegs zu einem Fernseh-Interview, Werbung machen für seine erste eigene Tournee, die in einer Woche beginnt. Jahrelang ist er durch kleine Clubs getingelt, hat in einer Vorband gespielt, aber jetzt hat er den Durchbruch geschafft. Er kann das machen, was er schon immer wollte: Musik schreiben, Singen. Das war nicht immer so: 

Ich bin deswegen den Weg gegangen, weil ich in meinem Leben so´n Punkt erreicht hatte, wo ich dachte, das ist irgendwie vielleicht ´ne Sackgasse, war insgesamt einfach unzufrieden, und dachte ich muss jetzt irgendwie was Krasses machen, vielleicht noch mal auf neue Gedanken zu kommen. 

Ach, noch so ein Promi mit romantischer Schwärmerei fürs Pilgern, denke ich zuerst. Vielleicht hat er das nur gemacht, weil das der Biografie einen interessanten Kick gibt. Aber Marc Forster überrascht mich mit einer ehrlichen Antwort: 

Ich bin dann nach Frankreich gefahren, und fand´s aber völlig schrecklich, war
alleine, und dachte, was soll ich hier, aber ich konnte nicht zurück, weil ich hatte in
Berlin allen erzählt, ich finde mich selbst und bin erst in zwei Monaten wieder da. Ich hatte also sozialen Druck und musste loslaufen.

Und Marc Forster hat durchgehalten. Er ist am Fuß der Pyrenäen gestartet, von da aus sind es 800 Kilometer bis nach Santiago de Compostela. Zum Glück hat er nicht aufgegeben: 

Was tatsächlich nach n paar Tagen passiert ist - ich wurde aus dem spazierengehenden Tourist zum Pilger. Dann wurde das mit die beste Zeit, die ich je hatte.

Das glaub´ ich ihm aufs Wort. Ich spüre in unserem Gespräch, der Jakobsweg ist für ihn mehr als ein Modetrend. Weil er sich auf den Weg eingelassen hat, auf ein langsames Tempo und auf die Begegnung mit sich selbst. Wenn schon Pilgern, dann richtig:  

Es gibt so´ne Passage vor oder nach Burgos, wo man zwei Tage lang durch Rapsfelder läuft, man sieht vor sich Felder und hinter sich Felder, das fühlt sich an als wär man in der Wüste und viele Pilger nehmen da den Bus, um das nicht machen zu müssen, weil da kein Cafe ist und nichts, das ist einfach sehr langweilig, und ich bin da gelaufen, das war für mich die spannendste Passage, weil ich das ganz alleine mit mir selbst war.  

„Geh langsam, Du kommst immer nur bei dir selbst an."  So heißt ein wichtiges Gebot für eine Pilgerreise. Marc Forster wollte keine sportlichen Höchstleistungen erreichen, sondern Klarheit für seinen Lebensweg. Deshalb hat er das monotone Laufen, den alltäglichen Rhythmus beim Pilgern schätzen gelernt:           

Da kommen einfach Sachen aus dem Bauch, die dann vorher vielleicht gestört haben, einfach hoch in den Kopf, und dann kann man die durchdenken und lösen.                                                                                                      

Nach dem Weg in Berlin

Marc Forster ist vor einigen Jahren auf dem Jakobsweg gepilgert. Zwei Monate lang. Aber irgendwann kommt jeder Pilger in Santiago an. Auch Marc Forster musste wieder zurück in den Alltag. Zuerst hat er sich wie von einem anderen Stern gefühlt, als er auf dem Rückweg zum Flughafen im Bus saß: 

Und ich war schockiert, von dem Tempo, also wie schnell die Bäume, die Häuser und die Leute an einem vorbeipeitschen, wenn man nicht zu Fuß läuft. Da ist mir klar geworden: in ganz vielen Situationen des Lebens ist das Tempo einfach verzerrt, bisschen zu schnell, natürlich kann man sich dem nicht entziehen, aber man kann versuchen, ab und zu das Tempo rauszunehmen.

Das ist der spannende Punkt für jeden Pilger: Wie viel von diesen intensiven Erfahrungen kann man in den Alltag integrieren? „Ich bin an so vielem vorbei gerauscht", schreibt er in seinem Lied.  Das war vorher. Jetzt nimmt er vieles bewusster wahr:

 Ich versuche zum Beispiel ganz ruhig zu frühstücken, solche Sachen ´n bisschen mehr zu genießen, oder auch abends nicht allein zu Abend zu essen vor dem Fernseher oder so was, in alltäglichen Sachen, die man früher so verhuscht hat, da versuch ich das jetzt intensiver zu leben.

Okay denke ich, der Jakobsweg hat Marc Forster geholfen zu erkennen, was er wirklich will und dieses Ziel konsequent zu verfolgen. Alles richtig gemacht.  Allerdings, für mich als Christin gibt es beim Pilgern noch die spirituelle Dimension. Seit Jahrhunderten gehen Menschen auf dem Jakobswegweg, und anderen Pilgerrouten, um sich selbst und auch Gott zu finden. Marc Forster ist im Katholischen Glauben aufgewachsen, der religiöse Aspekt vom Unterwegs-Sein ist ihm deshalb vertraut. Aber irgendwann ist ihm sein Kinderglaube abhanden  gekommen. Er glaubt nicht an Gott, sagt er. Ganz abgeschlossen hat er aber nicht mit dem Thema:

Na ja, ne Sehnsucht, ich glaube davon kann sich keiner frei machen, wenn es da irgendwie so ne Guideline gäbe für das hiesige Leben und das Leben nach dem Tode und das wär natürlich schön, das ist ja auch das Verlockende am Glauben, das man irgendwas hat, woran man sich festhalten kann, wenn´s einem nicht so gut geht, oder auch wenn´s einem gut geht, das es da so eine sichere Bank gibt irgendwo, die Sehnsucht ist natürlich da, aber das Prinzip funktioniert nur ohne diesen Zweifel, diesen tiefen Zweifel, den ich hab. 

Aber, würde ich ihm gerne sagen, es gibt viele Christen die zweifeln, angefangen vom heiligen Thomas, bis hin zu Mutter Theresa. Mein Glaube ist auch nicht immer die sichere Bank. Aber ich hoffe, dass Gott bei mir ist, auch im Zweifel. Da ist die Sehnsucht, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Marc Forster hat seinen Weg gefunden: 

Ich hab den Eindruck, ich hab ´ne Richtung eingeschlagen, die für mich richtig ist, also ich hab keine Angst irgendwas zu verpassen, oder in die falsche Richtung zu gehen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14099
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