SWR3 Worte

SWR3 Worte

Oskar ist erst zehn, aber er weiß, dass er sterben wird. Er bekommt im Krankenhaus immer wieder Besuch von einer Dame. Die bringt ihn auf die Idee, Briefe an den lieben Gott zu schreiben, in denen Oskar alles erzählt, was ihn bewegt. Oskar schreibt:

Lieber Gott, vielen Dank, dass du gekommen bist. Du hast den richtigen Augenblick erwischt, denn es ging mir gar nicht gut. (...) Es war so früh, dass die Vögel noch geschlafen haben, dass sogar die Nachtschwester eingenickt war, und du hast versucht, die Morgendämmerung zu fabrizieren. Es ist dir schwer gefallen, aber du hast dich ins Zeug gelegt. Du hast die Luft ganz weiß gepustet, dann grau, dann blau, du hast die Nacht vertrieben und die Welt zum Leben erweckt. (...). Da habe ich den Unterschied zwischen dir und uns verstanden: Du bist ein fleißiger Junge, der nie müde wird! Immer bei der Arbeit. Und da ist der Tag! Und da ist die Nacht! Und da ist der Frühling! Und da ist der Winter! (...) Was für eine Kraft! Ich habe gespürt, dass du da warst. Dass du mir dein Geheimnis verraten hast: Schau jeden Tag auf diese Welt, als wäre es das erste Mal.

 Aus dem Buch „Oscar und die Dame in Rosa" von Eric-Emmanuel Schmitt.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14017
weiterlesen...