SWR2 Zum Feiertag

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Maria Meesters im Gespräch mit Barbara Henze

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Fronleichnam in der Frömmigkeit - in Geschichte und Gegenwart 

Meesters: Fronleichnam gehört zu den auffallenden Festen. Straßen werden gesperrt, weil eine Prozession durchzieht mit Fahnen, Musik und betenden Menschen. Vorne geht ein Priester unter einem Baldachin mit einer geweihten Hostie. Seit dem 13. Jahrhundert gibt es dieses Fest. Es ist also älter als die Reformation. Man wollte damit ganz besonders die Realpräsenz betonen, die Gegenwart Christi in der geweihten Hostie. Zunächst war Fronleichnam einfach ein Fest, an dem man die Eucharistie besonders verehrt hat. Dann kamen Prozessionen dazu. Es gab ja schon kleine Prozessionen, die den Priester beim Versehgang begleitet haben, wenn er einem Sterbenden die Kommunion gebracht hat. Und es gab auch schon Flurprozessionen und Bittprozessionen um eine gute Ernte. Diese Bräuche wurden jetzt mit Fronleichnam verbunden, und so wurde der Tag auch immer mehr zum Bekenntnis und zur öffentlichen Demonstration, an der viele beteiligt waren. Bei den Prozessionen hat sich auch die Gesellschaft abgebildet. Es war klar geregelt, wer welchen Platz einnahm. Ein hochtheologisches Fest also, gesellschaftlich bedeutend und mit vielen Bräuchen verbunden. Dazu möchte ich von Dr. Barbara Henze mehr erfahren. Sie lehrt als katholische Theologin an der Universität Freiburg Kirchengeschichte und ist Expertin für Frömmigkeitsgeschichte. Frau Henze, ihr Fach ist Geschichte - trotzdem zu Beginn die Frage. Passt Fronleichnam noch in unsere Zeit?

 Barbara Henze: Unsere Zeit braucht vielleicht öffentliche Zeichen des Glaubens an Jesus Christus, und dafür sind die Fronleichnamsprozessionen vielleicht geeignet. Ob man die Realpräsenz in der Hostie als Zeichen tatsächlich heute noch braucht oder auch, ob die, die an der Prozession teilnehmen, daran glauben, wage ich zu bezweifeln.

Meesters: Was wäre dann für Sie heute wesentlich beim Fest Fronleichnam. Wie würden Sie es heute theologisch begründen?  

Barbara Henze: Das Zweite Vatikanische Konzil hat beschlossen, dass man den Titel des Festes ändert und von dem „Hochfest des Leibes und Blutes Christi" spricht. Das heißt: es geht um die Gegenwart Gottes in unserer Welt, und wenn man von dem Fest auch des Blutes Christi spricht, dann ist klar, man kann gar nicht die Gegenwart Christi nur in dieser Hostie in der Monstranz meinen. Also glaube ich, man müsste bei dem Gedanken des Konzils weiterdenken und überlegen: wo erfahren wir die Gegenwart Gottes in unserer Welt? Und das Bekenntnis zu dieser Gegenwart, das könnte man an Fronleichnam feiern.

 Meesters: Was sind denn für sie wesentliche Stationen in der Entwicklung der Fronleichnamsfrömmigkeit?

 Barbara Henze: Ja das Eine ist, dass im Zuge der sogenannten Armutsbewegung des 13./14. Jahrhunderts ein neues Gefühl dafür aufkam, Jesus Christus nahe zu sein. Der Armutsbewegung, zu der Größen Franz von Assisi für die männliche und Elisabeth von Thüringen auf der anderen Seite zählten. Wo man neu über die Bedeutung von Armut nachgedacht hat und neu darüber nachgedacht hat, wie man Jesus nachfolgen könnte. Dass also die Nachfolge Jesu darin besteht, dass wir selbst versuchen, das nachzumachen, was er vorgemacht hat. Und weil man damals dachte: Jesus ist arm, dachte man, man sollte auch arm sein, daher die Armutsbewegung. Und diese Bewegung, die konnte an mehreren Dingen anknüpfen. Die konnte einmal daran anknüpfen, dass man sich darin versenkt: wer ist Jesus Christus für mich. Und dabei zu überlegen: und wo ist Jesus Christus besonders. Einmal in den Armen und dann eben auch in der Eucharistie. Und das passte ganz gut, dass dann diese theologische Formulierung von der Präsenz, Jesu Christi in der Eucharistie durch das 4. Laterankonzil 1215 genau knapp vorher war. Also man hatte dann praktisch einen Ort, wo man versuchen konnte, ganz nahe an Jesus Christus zu sein, nämlich indem man ihn empfängt in der Kommunion. Und was auch sehr interessant ist, ist dass davon berichtet wird, dass man auch während dieser Prozession Fronleichnamsspiele aufgeführt hat. Dass man also im Prinzip die gesamte Heilsgeschichte von Adam und Eva im Paradies bis zum Jüngsten Gericht in einzelnen szenischen Bildern mitgetragen hat und auch aufgeführt hat.

 Meesters: Ein Einschnitt war ja offensichtlich die Reformation.

 Barbara Henze: Vielleicht war es sogar so, dass bis zu Reformation die Fronleichnamsprozession eine Prozession unter vielen war. Analog später zu der Zeit im Barock. Mit der Reformation wird auf die Fronleichnamsprozession deswegen besonders geachtet, weil man dann mit der Teilnahme an der Prozession zeigen konnte, dass man eine bestimmte Auffassung, nämlich die römisch - katholische von der Abendmahlstheologie hatte. Indem man dann an der Prozession teilnimmt, konnte man sagen: ja, wir glauben ja an die Realpräsenz oder an die dauernde Präsenz Jesu Christi in der Hostie.

 Meesters: .....Über die Messe hinaus

 Barbara Henze: Deswegen tragen wir die geweihte Hostie in der Monstranz unter einem besonders geschmückten Baldachin, dem sogenannten Himmel mit, und die Ministranten und die Kommunionkinder machen durch Schellen und durch Laternen besonders darauf aufmerksam, dass hier etwas besonders Heiliges kommt. Also praktisch analog zum Einzug von Herrschern in der Antike in eine Stadt oder zur Begleitung von Würdeträgern bei einem Empfang wird unser höchstes Gut, so sagte man damals, Jesus Christus, in unserer Mitte empfangen. Und wenn wir mit bei einer dieser Prozessionen teilnehmen, dann zeigen wir: daran glauben wir.

 Meesters: Wie sehen Sie Fronleichnam denn heute unter ökumenischen Gesichtspunkten?

 Barbara Henze: Ich glaube, wenn wir mit dem Konzil stärker hervorheben, dass die Präsenz Gottes in unserer Welt vielfältig ist und nicht nur in dieser Hostie liegt, dann haben wir ganz gute Chancen deutlich zu machen, dass es ein Gewinn sein könnte, in einer Welt, in der vielleicht das Christentum gar nicht mehr in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, deutlich zu machen, worum es eigentlich geht. Dass es noch etwas gibt - man kann es Gott nennen - das über diese Welt hinausgeht - über diese sichtbare Welt hinaus. Und wenn man die mehr problematischen Ausführungen, die dann ins Magische deuten könnten, über die Hostie nicht mehr betont, dann glaube ich, dass Fronleichnam kein ökumenisch trennendes Zeichen mehr sein müsste. Auf dem Evangelischen Kirchentag in München 1993, der an Fronleichnam stattgefunden hat, hat Kardinal Wetter mit seiner Fronleichnamsprozession, ist er zum Marienplatz eingeschwenkt, und man hat dort eine gemeinsame ökumenische Andacht gehalten. Und ich habe gelesen, dass auf dem Weg zum Marienplatz der evangelische Bischof analog zur Gegenwart Christi in der Monstranz eine Bibel getragen hat für die Gegenwart Christi in seinem Wort, und man dann gemeinsam eine Andacht feiern kann. Was natürlich aus der Sicht der römisch - katholischen Kirche insofern problematisch ist: wir können schlecht auf der einen Seite die evangelischen Christen nicht zum gemeinsamen Eucharistieempfang einladen, aber andererseits erwarten oder denken, dass die bei unseren Fronleichnamsprozessionen teilnehmen, wo es ja um die gleiche Gegenwart in der Hostie geht.

 Meesters: Was bedeutet Fronleichnam denn für Sie persönlich?

 Barbara Henze: Wenn ich jetzt bei uns in dem Vorort von Freiburg mit der Prozession durch unsere Ortschaft gehe, dann schaue ich mir tatsächlich die Häuser an  und die Straßen an. Und ich denke mir, dass es vielleicht allen gut tun würde, wenn Sie den Segen Gottes spüren würden. Und ich wünsche den Räumlichkeiten, durch die ich laufe - wir haben auch noch Landwirtschaft bei uns - dann denke ich an die Felder, und wir machen auch die entsprechende Fürbitte dazu, und ich denke an die Leute, die für unsere Nahrungsmittel arbeiten. Dann denke ich immer: vielleicht ist all unser Arbeiten zuversichtlicher, wenn man es mit dem Segen Gottes leben könnte, und das wünsche ich dann den Menschen links und rechts. Die müssen nicht mitgehen, die müssen jetzt nicht römisch-katholisch sein, sondern es ist einfach ein Wunsch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13201
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