Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie kann ein Mann so gar keinen Ehrgeiz haben, wenn es um seinen „fahrbaren" Untersatz geht? Normalerweise gehört das doch bei uns Männern zusammen: Fahrbarer Untersatz und Ehrgeiz:
Wir überlegen stilsicher: Welcher fahrbare Untersatz unterstreicht meine Persönlichkeit. Und drückt mein Lebensgefühl aus. Viele Fahrzeuge zeigen, dass mann sich was wert ist. Allerdings bei vielen schießt gerade wenn es um das Fahrzeug geht, der Ehrgeiz auch übers Ziel hinaus. Man versucht sich aufzuwerten, mancher vielleicht sogar sich aufzublasen. Würden sonst so viele Geländewagen oder schwere Limousinen durch unsere Großstädte fahren? Oder müssten sonst so viele junge Männer beim Ampelstart zeigen, was sie in sich haben. Na ja, in sich ist ja nicht so ganz richtig. Eher unter sich.
Im Vergleich dazu kommt dieser Mann ziemlich merkwürdig daher:
Jesus zieht mit seinem Gefolge in die Hauptstadt ein, die Bevölkerung empfängt ihn kreischend und jubelnd wie einen Popstar. Und er? Was seinen Untersatz angeht, entwickelt er anscheinend keinerlei Ehrgeiz. Er reitet zwar. Aber er kommt nicht standesgemäß hoch zu Ross. Könnte er ja. Er ist ja Gottes Sohn. Jesus hat sich auch kein edles Reitkamel besorgt wie das für einen orientalischen Fürsten passend wäre.
Jesus entscheidet sich als Untersatz für einen Esel, das Lasttier der einfachen Leute.
Ein Problem mit falschem Ehrgeiz hat er jedenfalls nicht. Und trotzdem fliegen ihm die Menschenherzen zu. Oder vielleicht sogar gerade deshalb? Er kann sich jedenfalls sicher sein, dass die Sympathien ihm gelten und nicht seinem Reittier.
Es hätte schon seine Vorteile, wenn Sie und ich bei der Wahl unseres fahrbaren Untersatzes auch so ohne falschen Ehrgeiz auskommen könnten. Als Erstes würde die Sache bestimmt billiger. Ehrgeiz in Sachen Auto schlägt sofort auf den Geldbeutel. Wenn man ihn beiseite lassen kann, entlastet man die Familienkasse.
Aber etwas anderes finde ich noch wichtiger als das Geld.
Wer sich von Ehrenkäsigkeit in Sachen Auto frei machen kann, kann sicher sein: Die Sympathie, die mir entgegenkommt, gilt nicht der Karosse, in der ich unterwegs bin, sie gilt mir.
Wie kann ein Mann so gar keinen Ehrgeiz entwickeln in Sachen Untersatz - bzw. in Sachen Reittier - wie Jesus?
Er braucht es nicht. Er weiß, die Menschen meinen mich. Und erst recht Gott. Ich stelle mir jedenfalls den Jesus auf seinem Esel als einen glücklichen Mann vor.

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