Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Sind Sie streng zu Ihrem Kind?" -
‚Nein bin ich nicht.' Werden Sie vermutlich als Vater oder Mutter antworten. ‚Mein Kind soll spüren, dass ich es liebe. Sicher, im Stress passiert es, dass ich mal streng bin. Aber normalerweise nicht.'
Ich vermute, so etwa werden die meisten Mütter und Väter antworten. Aber ich habe Zweifel, ob diese Selbsteinschätzung stimmt.
Ich habe mich auch nicht für streng gehalten. Bis ich mich auf dem Fußballplatz erlebt habe. Und meinen Ehrgeiz. Nicht dass ich selbst gespielt hätte, mein Sohn war auf dem Platz. Und ein Blick in die Runde der Väter und Mütter hat gezeigt. Die meisten sind genauso. Wir haben nicht bloß mit gefiebert. Wir haben gewollt, dass sie gewinnen. Man redet sich das dann gern schön: ‚Bloß seinetwegen. Es soll ihm ja Spaß machen. Und gewinnen macht Spaß.' Stimmt schon. Aber man könnte als Vater hinterher ja auch trösten, damit die Freude nicht verloren geht, wenn sie mal verlieren. Aber tut man das? Nein, man analysiert, kritisiert und schimpft: ‚Warum hast Du nicht? Wenigstens kämpfen hättet ihr können.' So lernen die Kinder: Gewinnen ist gut - verlieren tut weh und dazu noch: Es bringt Ärger.
Diese Erfahrungen haben mir gezeigt: Wenn man Kinder hat, sind sie immer auch mit meinem Ehrgeiz konfrontiert. Auf dem Sportplatz, beim Musikunterricht, in der Schule.
Und Ehrgeiz macht einen streng. Christian Morgenstern hat das auf den Punkt gebracht. „Es gibt keinen strengeren Erzieher als den Ehrgeiz."
Ich ziehe daraus den Schluss. Wahrscheinlich kann man seine Kinder nicht ohne Ehrgeiz erziehen. Und das heißt auch: Wenn ich Ehrgeiz entwickle, dann bin ich als Vater und Mutter auch streng, zumindest ab und zu. Ich bin deswegen nicht verkehrt. Verkehrt wird es, wenn mein Ehrgeiz falsch wird. Wenn ich meinem Kind damit unrecht tue. Das passiert mE. dann, wenn ich von meinem Kind Dinge erwarte und fordere, die es nicht können kann. Weil ich Dinge von ihm erwarte, die nicht den Talenten entsprechen, die es von Gott bekommen hat. Mein Ehrgeiz ist falsch, wenn ich aus einem Kind etwas machen will, was mir vorschwebt. Ehrgeiz und Strenge sind ok., wenn ich die Stärken und Talente, die Gott ihm mitgegeben hat, entdecke und stark mache. Und zum stark machen, gehört manchmal auch streng zu sein.
Und Strenge wird falsch, wenn sie zur falschen Zeit greift. Nicht nach dem Spiel als Ärger auf das Kind runterlassen. Da gilt es zu trösten. Vor dem Spiel dran bleiben, damit sie üben und sich vorbereiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12755
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