Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Kennen Sie auch Menschen, die unter Zuvielitis leiden? Die vieles, und doch nie genug haben. Wie ein Bekannter. Er hat sein Notebook. Klar Tablet, neues Smartphone. Den alten Stand-PC mag er nicht hergeben, sicher ist sicher. Und für demnächst steht auf der Wunschliste ein Ultrabook. Das ist cooler für unterwegs: Zuvielitis.
Schon Kinder haben sie: Das Kinderzimmer quillt über von Spielzeug, meistens spielen sie mit mehreren Sachen gleichzeitig, aber nichts mit ganzem Herzen.
Wenn ich ehrlich bin. Ich kenne diese Zuvielitis. Viele Bücher, CDs, Medien aller Art. Warum muss immer noch mehr dazu? Anscheinend weil nur mehr Neues die Gewissheit zu geben scheint, ich bin lebendig. Bin aktuell. Dabei: Die Zeit, all das immer Neue zu lesen, zu hören, zu sehen, werde ich nie haben. Und in einem Viertel Jahr ist schon wieder was ganz anderes neu.
Aber leidet man wirklich unter diesem Zuviel? Oder will ich Ihnen und mir nur etwas einreden. Ein schlechtes Gewissen machen, wo endlich mal die Zeiten des Mangels für viele vorbei sind? Doch ich glaube, es ist ein Leiden.
Eine Geschichte, die Jesus erzählt hat, hält mir den Spiegel vor. Die Hauptperson ist ein reicher Bauer. Er hat mehr als genug. Aber er hat auch dieses „nicht genug kriegen können". Er beschließt: Ich reiße meine alten Scheunen ab und baue neue, größere. Für noch mehr Vorräte. Dann, dann will ich zufrieden sein, und zu mir sagen: Liebe Seele; jetzt hast Du Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!" Und dann sagt Gott zu ihm: ‚Und was wäre, wenn Du heute Nacht stirbst. Mit unruhiger Seele.'
Jesus meint, es ist die Seele, die unter Zuvielitis leidet. Meine. Oder die der Kinder. Weil sie nicht zur Ruhe kommen kann. Sie wird immer im Hungerzustand gehalten. Sie darf nie das Glück empfinden: Es ist genug jetzt. Es ist gut. Ich kann mich freuen. Jetzt. Immer fehlt angeblich etwas. Wir leiden an seelischer Unterernährung, obwohl eigentlich genug da ist.
Was kann das Leiden lindern? Vermutlich dass ich sehe was alles da ist. Dann kann ich vielleicht auch von dem Zuviel weggeben. Und merken und spüren, manchmal ist weniger mehr. Weil ich dann womöglich, das was da ist, viel intensiver genießen kann. Eine CD viel aufmerksamer hören. Ein Buch nicht bloß anfangen sondern ganz lesen. Meine Seele könnte gesunden, wenn sie nicht immer auf der Jagd nach mehr sein muss, wenn sie ruhiger sein darf, jetzt schon.

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