SWR1 Begegnungen

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Er beherrscht die Kunst, mit seiner Stimme Stimmung zu machen: Udo Scholz. Er ist Stadionsprecher. Und das schon fast 5 Jahrzehnte lang. Der 72 jährige war über zwanzig Jahre beim 1. FC Kaiserslautern tätig und spricht seit 1994 für den Eishockey-Bundesligisten Adler Mannheim. Ursprünglich hatte er ganz andere Pläne.begegnungen > scholz.jpg

Ich war selber Fußballer bei Rot Weiß Lüdenscheid, der Stadionsprecher war krank, ich hab ihn ersetzt und nach dem Spiel kam jemand von Borussia Dortmund und hat gesagt: ‚Wir möchten Sie verpflichten'.  - Ich war wahnsinnig stolz und hab gedacht, als Spieler.  Und die ham gesagt: ‚Nee, nee als Sprecher.' - und so kam ich 1963 als Kind der ersten Stunde in die Bundesliga.

Aus dieser „Enttäuschung" hat der redegewandte Protestant eine Menge gemacht.

Teil 1 Worte wirken
Ein unauffälliger Mann mit grauem Bart und Brille empfängt mich. Ich bin ins pfälzische Friedelsheim gefahren. In der Weinstube seiner Frau treffe ich Udo Scholz. Hier ist das zweite Standbein des Stadionsprechers: Immer gerne im Kontakt mit Gästen, sagt er. Auf den ersten Blick scheint hier die Massenwelt des Stadions weit weg. Doch der Schein trügt. Bei einer Tasse Kaffee springt mir an der Wand ein gerahmter Zeitungsartikel ins Auge. „Ein Leben für das Mikrofon" lese ich da in großen Lettern über einem Portrait des Sprechers. Und sofort sind wir dabei, wie das mit dem Mikro und den Massen für den gebürtigen Sauerländer angefangen hat.

Ich komm aus einer ganz einfachen Familie. Mein Vater war Lokomotivführer, ist im Krieg gefallen. Ich bin in einem Bundesbahnhof groß geworden, in Brügge bei Lüdenscheid und habe dort als Vierzehnjähriger schon erlebt, wie auf dem Bahnhof die Ansage gemacht wurde. Das hab ich damals schon machen dürfen, indem ich gesagt hab: ‚Hier Bahnhof Brügge, hier Bahnhof Brügge. Der eingefahrene Personenzug fährt weiter nach Lüdenscheid. Anschluss nach Diringhausen durch die Unterführung.'

Und zu dem Faible fürs Miko kommt noch etwas anders dazu. Gut sprechen allein reicht nicht. Man braucht auch eine ungehemmte, positive Einstellung zu den Menschen, wenn man sie erreichen will.

Ich hab dann als junger Mann schon mein Geld verdient, auf dem Bahnsteig, indem wir einen Bauchladen hatten, das gab's damals so: ‚Zigarren, Zigaretten, Limonade, Pfefferminz, Saure Drops'. Und da spricht man halt und kommt mit Menschen zusammen und das ist halt schön!

Bis heute hat sich das gehalten: Sofort spüre ich bei Udo Scholz die Freude am Kontakt mit Menschen. Er spricht einfach aus, was er denkt. Unmittelbar, ehrlich, direkt. Ein Original ist er, sagen seine Fans. Steht für Stolz, Tradition und Leidenschaft. Klar, der  Erfinder des Stadionschlachtrufs „Zieht den Bayern die Lederhosen aus" hat manchmal auch die Stadionstimmung ganz schön angeheizt. Aber er ist kein neumodischer Eventmoderator geworden. Er liebt den Kontakt zu den Menschen, auch den einfachen. Er nimmt sich nicht selbst als Maß aller Dinge und er weiß: Nicht alles kommt aus mir selbst. 

Ich finde, die Sprache ist etwas, was uns der liebe Gott gegeben hat, was nach den Ohren mit das Wichtigste ist, wenn nicht das Wichtigste.

Denn Sprache ist Geschenk. Sie verbindet Welten. Sie regt Stimmungen an. - Das Wort wirkt. Das kann ich als Theologe nur bestätigen. Und noch etwas sehe ich wie Udo Scholz: Sprache verfehlt ihre Wirkung, wenn sie nur „von oben" kommt. Es braucht schon Begegnungen auf Augenhöhe und man muss, wie Luther das so schön gesagt hat, dem „Volk aufs Maul schauen".

Und dann bin ich halt nicht der Stadionsprecher, der zum Spiel mit dem Auto angefahren kommt, geht ans Mikrofon, liest ab. Sondern ich bin einer, der ständig mit den Fans unterwegs ist. Auch heute fahre ich zu Auswärtsspielen mit dem Fanbus und geh in die Kurve zu den Fans.  Dann ist man auch mit dem Herzen am Herz und mit dem Ohr am Rohr, wie man so schön sagt, man hört, was die Fans wollen.

Teil 2 Mehr als die Welt des Stadions
Ein Stadionsprecher kann  nicht einfach nur sprechen. Er muss wissen, wo sein Herz schlägt. Udo Scholz  jedenfalls ist von seiner Mission überzeugt

Für den Club, für den ich spreche, für den Club lebe ich. Das heißt also: Für mich ist die Toransage für meinen Club etwas Besonderes.

Aber ein Stadionsprecher muss neben der Loyalität auch überparteilich denken. Er muss das Potenzial von Gewalt im Blick haben, muss Frieden stiften können und auch mal Niederlagen kommentieren können. Und da ist es gut, wenn aus der Parteilichkeit keine Abwertung der anderen  wird. Wenn zum Beispiel der Münchner Stadionsprecher sagt:

Heute spielt Herz und Tradition gegen Geld. So was ärgert mich. Oder wenn man sagt: Da kommen die Mannheimer aus dem Ghetto. Das find ich nicht gut.

Trotz der Aufgabe, die Stimmung auch mal anzuheizen, kennt Udo Scholz die Grenze:

Selbstverständlich provoziere ich auch schon durch meine Aussagen, indem ich den Gegner ein bissel leise nenne. Oder indem ich auch n Tor ironisch ansage bei der „Augsburger Puppenkiste" oder so. Aber ich beleidige keinen und ich bin jetzt  50 Jahre in dem Geschäft

Und er ist parteilich und doch friedfertig. Emotional und doch respektvoll. Er will den Sieg, kann aber auch mit einer Niederlage umgehen. - Wenn ich mir die Aufgaben eines Stadionsprechers vor Augen führe, staune ich, wie bekannt mir das vorkommt. Auch im Christentum geht es doch darum, sich nicht absolut zu  setzen, sondern auch fremde Welten wahrzunehmen.
Da gefallen mir die Werte von Udo Scholz. Denn trotz allem „Kult" um das Spiel, trotz allem Hype, dem er manchmal ausgesetzt ist,  hat er nicht nur die Welt des Stadions im Blick. Er hat auch ein Herz für die einzelnen vor Ort behalten.

Wir möchten zielstrebig hier an unseren Projekten weiterarbeiten. Es gibt noch so viel zu tun in Mannheim und Umgebung, wenn man hört: Jedes fünfte Kind ist ein Hartz IV -Kind -

Und da hat er kurzerhand  angepackt und mit dem ev. Kinder- und Jugendwerk ein Ferienlager konzipiert. Kinder, die in den Ferien nicht aus der Stadt wegkommen, lädt er für ein paar Tage zum Zeltlager auf sein Grundstück in die Pfalz ein. Auf die Kirche in ihrem Engagement für die Schwachen hält er dabei große Stücke. Über den Verein „Adler helfen Menschen" hat er viele Projekte mit den Kirchen auf den Weg gebracht: Im Jugendknast oder für die Kindervesperkirche etwa.  Zu diesen Welten baut er Brücken. 

Weil ich viel in der Stadt bin, komme ich natürlich an die Brennpunkte, erlebe natürlich bei uns in den Logen die Leute, die sehr viel Geld haben, kann dadurch auch Brücken bauen, wenn ich mal dem einen oder anderen Sponsor etwas sage. Die kennen mich. Die wissen, dass ich da die Sache an die richtige Stelle bringe.

Solche Brückenbauer sind nötig, finde ich. Gerade weil in unserem Land die Reichen und die Armen immer weiter auseinanderdriften. Wie gut, dass es Menschen wie Udo Scholz gibt. Menschen, die sich auf verschiedenen Parketts bewegen können. Die Sport und Kirche, Fans  und Sponsoren, Reiche und Arme zusammen bringen. Die wissen, wie mühsam sich das Leben der kleinen Leute anfühlt, weil sie aus kleinen Verhältnissen kommen und die nicht vergessen haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12715
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