SWR2 Wort zum Tag

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Neulich saß mir im Zug eine junge Frau gegenüber. Munter telefonierte sie in perfektem Englisch. Bis sie das Gespräch beendet hatte und sofort jemand anderen anrief. Dieses Mal verständigte sie sich auf Deutsch. Ohne Akzent. Aber auch dieses Gespräch war nicht das letzte. Kaum hatte sie wieder jemanden erreicht, telefonierte sie in fließendem Spanisch weiter.
Eine neue Generation, die da heranwächst, dachte ich. Mit mehreren Sprachen gut vertraut. In der Lage, ohne Mühe, von der einen in die andere zu wechseln. Viele junge Menschen studieren auf jeden Fall ein oder zwei Semester im Ausland. Sie lesen Bücher und Magazine von irgendwo her. Polyglott. Vielsprachig. Und weltoffen.
Irgendwann musste ich dann doch aussteigen. Die junge Frau telefonierte immer noch. Normalerweise nervt mich das mit der Zeit. Dieses Mal hat es mich fasziniert. Die Selbstverständlichkeit und die Leichtigkeit, mit der die junge Frau scheinbare Grenzen ignorierte - sie strahlte auf mich etwas Befreiendes aus. So, dachte ich mir, so also könnte ich mir Gottes neue Welt vorstellen. Jede versteht jeden. Niemand fragt danach, woher jemand kommt. Was er kann. Was ihr wichtig ist.
Mit einem Mal wird ganz anschaulich, was Jesus meint, wenn er sagt: „Sie werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tische sitzen werden im Reich Gottes." Eine Art himmlisches Multi-Kulti als Kennzeichen des Reiches Gottes. Gottes neue Welt, sie stößt nicht an Sprachgrenzen. Oder an die Grenzen von Kulturräumen. In ihr spiegelt sich die Vielfalt der Schöpfung wider. Und die Unterschiedlichkeit der Menschen. Ich könnte es auch anders sagen: Diese junge Frau hat für mich etwas vorweggenommen von dem, was ich mir für die Zukunft wünsche. Durch sie ist für mich etwas vom Reich Gottes aufgeleuchtet.
Es braucht nicht immer eine Zugfahrt oder gar eine Reise, um derartige Grenzen zu überschreiten. Die afrikanische Familie im Nachbarhaus. Die lateinamerikanische Band in der Fußgängerzone. Die koreanische Gemeinde, die in der Kirche um die Ecke Gottesdienst feiert. Orte, um Menschen aus anderen Ländern und anderen Kulturen zu treffen, gibt es genug. Allesamt Möglichkeiten die helfen, den eigenen Horizont zu erweitern.
Eine Form der Globalisierung ist das also, die mancher Ängstlichkeit Engstirnigkeit ein Ende setzt. Und die dabei sogar die Bibel auf ihrer Seite hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12648
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