SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Von einer Gastwirtschaft möchte ich ihnen erzählen. Mitten in einem hochgelegenen Dorf im Schwarzwald. Engagierte Menschen haben das Haus vor dem Abriss bewahrt. Und eine Gruppe von Frauen führt das Gasthaus seitdem in Eigenregie weiter. Wenn meine Frau und ich uns an einen Tisch setzen, bleiben wir nie sehr lange allein. Es dauert nur kurze Zeit, dann sitzen weitere Gäste mit am Tisch. Wenn alle Tische besetzt sind, setzen wir uns einfach dazu.
An anderen Orten habe ich das selber nicht immer gerne. Aber in diesem Lokal macht mir das überhaupt nichts aus. Hier spüre ich, was Tischgemeinschaft bedeutet. Sie ist ein Zeichen dafür, dass Menschen zusammengehören. Wenn sie als Familie miteinander essen. Wenn sie als Freunde miteinander feiern. Wenn sie nach einem schweren Konflikt zum ersten Mal wieder an einem Tisch sitzen und miteinander reden. Sie leben „getrennt von Tisch und Bett", sagte man früher, wenn zwischen einem einst verliebten Paar nichts mehr ging. Wenn die Beziehung aus war. „Solange du die Beine unter meinen Tisch streckst", so hat ein anderer, eher gefürchteter Satz gelautet, wenn Eltern den Anspruch erhoben, in das Leben eines ihrer Kinder hineinreden zu wollen. Auch wenn sich die Lebensverhältnisse geändert haben - das Bild des Tisches als Zeichen der Gemeinschaft ist nach wie vor verständlich.
In der Bibel ist die Tischgemeinschaft ein Sinnbild für Gleichwertigkeit. Und für Zusammengehörigkeit. Jesus setzt sich mit vielen Menschen an einen Tisch. Mit seinen Freunden. Mit Menschen, die am Rande der Gesellschaft lebten. Mit Betrügern. Mit Prostituierten. Mit kranken Menschen. Am letzten Abend vor seinem Tod isst er noch einmal zusammen mit seinen Freunden. Dieses Essen wird zum Sinnbild himmlischer Gastfreundschaft. Miteinander essen - das bedeutet: Die Unterschiede fallen lassen. Die Vorwürfe ruhen lassen. Auf seine Überlegenheit verzichten. Ein Tisch ist ein heiliges Möbelstück. Kein Wunder, dass in jeder Kirche ein Tisch im Zentrum steht. Und dass die Einladung an diesen Tisch zum Zeichen gelebter Geschwisterlichkeit wird. An einem Tisch sitzt man darum lieber nicht allein. Deshalb liebe ich die Tische in diesem Schwarzwaldlokal. Deshalb freue ich mich, wenn Menschen sich dazu setzen. Da fühle ich mich Gott näher. Das muss ja keine Erfahrung bleiben, die diesem Lokal in luftiger Höhe vorbehalten ist. Vielleicht entdecken sie heute ja auch einen Tisch, an dem noch Platz ist.

 Über das besondere Restaurant im Schwarzwald erfahren Sie mehr:
http://www.cafe-goldene-krone.de/cafe.html

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12647
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