SWR2 Wort zum Tag

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Glaube - Krise - Hoffnung! Ich bin zusammengezuckt, als ich diese Überschrift in einem Nachrichtenmagazin entdeckt habe. Statt der Liebe die Krise. Da hat sich ein Autor der vielleicht berühmtesten Verbindung dreier Begriffe in der ganzen Bibel bemächtigt. Aber er hat einen der drei Begriffe ausgetauscht. Und damit ihre Botschaft an einer entscheidenden Stelle verändert. Nicht mehr Glaube - Liebe - Hoffnung. Wie im Original. Sondern Glaube - Krise - Hoffnung.
Werden hier nur zwei Begriffe getauscht, habe ich mich gefragt? Oder ist in diesem Tausch nicht auch eine Botschaft enthalten? Etwa in dem Sinn: Fehlt die Liebe, folgt die Krise. Allein schon das Thema des Artikels bestätigt diese Vermutung. Denn nach der Überschrift folgt eine Auflistung der derzeitigen Krisensymptome: Auf den Finanzmärkten mit der Euro- und Bankenkrise. In der Politik. In den Krisenregionen der Erde.
Wenn die Liebe fehlt, ist das zentrale Stück dieser Dreierreihe herausgebrochen. Wie gut, habe ich gedacht, dass nicht auch die Hoffnung verlorengegangen ist. Und der Glaube - zumindest der, dass es schon irgendwie weitergehen wird.
Von Paulus stammt dieses Lied, das mit dem Hinweis auf den Glauben und die Hoffnung endet. Vor allem aber mit dem Hinweis auf die Liebe. Entstanden ist dieses Lied übrigens auch in einer Krisensituation. Ich bin sicher: Die Liebe, von der Paulus hier spricht, bewährt sich auch heute noch. Sogar in der großen Politik. Was nützt uns in Deutschland der eigene wirtschaftliche Erfolg, wenn wir übersehen, dass die Trennmauer, die andere uns gegenüber empfinden, immer höher wird? Und wenn wir dabei verdrängen, dass wir aus den Krisen der anderen doch auch Gewinn ziehen. Was nützt es, wenn ich meine eigenen Schäfchen ins Trockene bringe? Und dabei aus den Augen verliere, was ich dafür alles dran gebe. Und wofür mir keine Zeit mehr bleibt.
Hätte ich keine Liebe, schreibt Paulus, dann nützte mir alles andere auch nichts. Diese Form von Liebe ist etwas ungemein Praktisches. Nicht nur ein romantisches Gefühl. Ihr geht es um Beziehung auf Augenhöhe. Im ganz persönlichen Bereich gilt das. Aber auch in der Gesellschaft. Sogar in der Beziehung zwischen Staaten. Beziehung auf Augenhöhe. Verzicht, der anderen zugute kommt.
Es mit dieser Liebe zu versuchen, lohnt den Versuch. Für die Politik wüsche ich mir das derzeit. Und für die Beziehung zwischen Menschen sowieso. Beziehung auf Augenhöhe. Manchmal ist das schon genug, um eine Krise in den Griff zu bekommen. Und irgendwie ist das doch auch eine Form der Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12646
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