SWR2 Wort zum Tag

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Zum Schwerpunkt „Deutschlandreise"
In diesen Wochen ist er zugeklappt, der Hochaltar im Freiburger Münster. Das Jahr hindurch, wenn seine Flügel aufgeklappt sind, zeigt er die Krönung Marias im Himmel. Aber vom 1. Advent bis zum 2. Februar sind die Bilder von Advent und Weihnachten zu sehen: der Engel Gabriel, der zu Maria kommt und ihr die Geburt Jesu ankündigt. Maria und ihre Cousine Elisabeth, beide schwanger. Dann das Bild von der Geburt Jesu im Stall und schließlich die Heilige Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten. Hans Baldung Grien ein Schüler von Albrecht Dürer, hat im 15. Jahrhundert diesen Altar gemalt. Ich möchte besonders auf das weihnachtliche Bild schauen. Eine Szene im Dunkeln ist es und voller Licht. Die stärkste Lichtquelle ist das kleine Kind. Es liegt in einem Tuch, das gehalten wird von 3 Engeln, die kaum größer sind als es selber. Ein weiterer Engel schwebt mit gefalteten Händen über dem Tuch und betet das Kind an, und der fünfte sitzt einfach nur da und staunt. Beim Bild von der Flucht nach Ägypten sehen wir die 5 wieder. Da klettern sie in einer Dattelpalme herum, um für die heilige Familie ein paar Früchte zu ergattern. Himmlische Boten mit praktischen Fähigkeiten. Und - weil sie fünf sind - vielleicht Repräsentanten der 5 Erdteile, die dem Kind huldigen. Diesem Kind, von dem soviel Licht ausgeht. Es streckt die Ärmchen der Mutter entgegen. Maria kniet vor ihm, versunken und mit gefalteten Händen. Hinter ihr Josef mit widerspenstigem Bart und Haarkranz, etwas zur Seite geneigt und mit geschlossenen Augen. Auch der Ochse fehlt nicht, ganz nah bei den Engeln, angeleuchtet vom Kind, schaut er mit großen nachdenklichen Augen. Der Kopf des Esels ist noch fast ganz im Dunkeln. Auch Ochs und Esel gelten übrigens als Repräsentanten der Menschheit. Der Kirchenlehrer Gregor von Nyssa zum Beispiel hat dazu im 4. Jahrhundert geschrieben: Der Ochse unter dem Joch steht für das an das mosaische Gesetz gebundene Israel; der Esel trägt die Last des Götzendienstes, vertritt also die „Heiden" alle. Beide sind sie an der Krippe, in Jesus werden - um es mit einem modernen Wort zu sagen - die Weltanschauungen versöhnt. Die Tiere und die Engel huldigen dem Kind - in der Geburt Jesu sind die Menschen nicht mehr getrennt oder sogar verfeindet aufgrund von Herkunft, Rasse und Religion. Ein hoffentlich prophetisches Weihnachtsbild aus dem Freiburger Münster.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12196
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