Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In jedem Winterhalbjahr rollt sie wieder heran, die so genannte Grippewelle, vor zwei Jahren bekam sie den wenig charmanten Namen Schweinegrippe. Und genauso regelmäßig tauchen dann in Toiletten und öffentlichen Räumen kleine Aushänge auf. Die weisen auf die Ansteckungsgefahr hin und geben Ratschläge, wie man es verhindern kann, sich anzustecken. Regelmäßig die Hände waschen, auf den gewohnten Handschlag verzichten, das Immunsystem stärken durch Vitamine und Spaziergänge, ausreichend schlafen.

Grippewellen kommen und gehen, und wenn man vorsichtig ist und auch noch Glück hat, kommt man ungeschoren davon. Andere Krankheiten breiten sich immer stärker aus, und die Kassen und die Gesundheitsbehörden schlagen Alarm. Eine solche Erkrankung, die wie eine Epidemie um sich greift, heißt Erschöpfungsdepression, manche nennen es auch Burnout.
Vielleicht, so stelle ich mir vor, wird's irgendwann auch dazu solche Empfehlungen geben, wie heute beim Ausbruch von Seuchen. Die hängen dann überall, wo viele Menschen hinkommen und warnen vor ‚Ansteckung' mit Depression. Was könnte da drauf stehen? Wie kann man sich davor schützen?
In dem Gedicht Zusage von Andrea Schwarz habe ich solche Empfehlungen gefunden, die helfen könnten, einer Ansteckung mit der Volkskrankheit Depression vorzubeugen:

 

du brauchst nicht

das Unmögliche

möglich zu machen

du brauchst nicht

über deine Möglichkeiten

zu leben

du brauchst dich nicht

zu ängstigen

du brauchst nicht

alles zu tun

du brauchst

keine Wunder zu vollbringen

du brauchst dich nicht

zu schämen

du brauchst nicht

zu genügen

du brauchst Erwartungen an dich

nicht zu entsprechen

du brauchst

keine Rolle zu spielen

du brauchst nicht immer

kraftvoll zu sein

 

und du brauchst nicht

alleine zu gehen [1]

 

Bei Infektionskrankheiten wird empfohlen, bestimmte Dinge zu tun. Hier könnte empfohlen werden, bestimmte Dinge zu lassen, mehr geschehen zu lassen als aktiv zu tun. Erst mal auszuatmen, statt gleich wieder tief Luft zu holen für die nächste Aufgabe. Um Hilfe bitten, statt alles selbst bewältigen zu wollen. Und vor allem: lernen, dass das Leben zuerst und zuletzt ein Geschenk ist - und dann, aber wirklich erst dann, auch Herausforderung und Aufgabe.

 


[1]   in: Andrea Schwarz, Du Gott des Weges segne uns. Gebete und Meditationen, Verlag Herder, Freiburg i. Breisgau 2008

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11703
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