SWR4 Abendgedanken RP

SWR4 Abendgedanken RP

Ich erinnere mich gerne an Jesus, der die Menschen heilte. Der den Tauben das Gehör, den Stummen die Stimme, den Blinden das Augenlicht und den Gelähmten die Bewegung zurück schenkte. Das eigentliche Wunder für mich: Jesus begegnet diesen Menschen auf Augenhöhe. Nicht von oben herab. Er ging zu ihnen in ihre Einsamkeit, er löste die Barrieren auf, und schenkte Begegnung und Gemeinschaft. Heilung geschieht für mich dann, wenn wir aufeinander achten. Wenn wir im Sinne Jesu behinderte Menschen in die Mitte holen. Er sagte zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte. Heute ist der Welttag der Gehörlosen. Annähernd 250 Millionen Mitmenschen sind es weltweit. Ich kann mir das nicht vorstellen, wie es ist, schlecht oder gar nicht zu hören. Ein gehörloser Mensch kann die Lautsprache nicht über das Hören erlernen. Der Zugang zur Schriftsprache ist viel schwerer. Die Gebärdensprache hilft ihnen dabei zu kommunizieren. Viele haben gelernt, das Gesprochene vom Mund des anderen Menschen abzulesen. Sicher: Es gibt heute hochsensible Hörgeräte, die auf jede Situation eingestellt werden können. Doch ich kenne viele Menschen, besonders ältere, die sich nicht so leicht damit tun. Die eher auf dieses Hilfsmittel verzichten. Dann ist es umso wichtiger, dass die gut Hörenden darauf Rücksicht nehmen. Blickkontakt und deutliches Sprechen, ohne Kaugummi im Mund oder einer Hand davor, sind für das Miteinander wichtig. Ein Gehörlosenseelsorger erzählte mir, dass die Situation der Gehörlosen besonders schwer sei, weil sie von der üblichen Kommunikation ausgeschlossen seien. Sie sind in dem Sinne nicht behindert, sondern werden behindert: sie können kein Radio hören, oft genug gibt es keine Untertitel im Fernsehen. Auch im normalen Gemeindegottesdienst verstehen sie vieles nicht. Ich wünsche mir, dass wir aufeinander achten, hörende und gehörlose, dass wir einander wahrnehmen, dass wir voneinander lernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11568
weiterlesen...