SWR1 Begegnungen

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Annette Bassler trifft Sven Dreiser, Pfarrer der Bundesgartenschau Koblenzbegegnungen > dreiser.jpg

Er hat den schönsten Arbeitsplatz der Welt, finde ich: Das Büro unten am Rhein und die Kirche hoch oben auf der Festung Ehrenbreitstein mitten auf der Bundesgartenschau von Koblenz. Gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen leitet Pfarrer Sven Dreiser DIE Kirche auf der Buga.

Ich hab ne Arbeitsstelle, die mich in Kontakt bringt mit sehr interessanten Menschen, das sind die Ehrenamtlichen, davon haben wir 150 sehr engagierte  unterschiedliche Menschen aus verschiedenen Gemeinden, das ist auch für mich eine besondere ökumenische Lernerfahrung, und das sind Horizonterweiterungen, die ich sonst so nicht kennengelernt habe.

So bunt und vielfältig wie die Natur und die Kirche auf der Buga ist auch sein Leben: der 47jährige Vater lebt seit 3 Jahren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Felsenfest und Wandelweise- Kirche auf der Buga
Felsenfest und Wandelweise, das ist das Motto der „Kirche auf der Buga". Felsenfest - wie Gottes Liebe. Wandelweise wie das Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Beidem gibt die Festungskirche Raum.

Ich stelle immer wieder fest, dass Menschen aus dem Raum der Stille rauskommen und Tränen in den Augen haben, die also wirklich ganz angerührt sind und dass so ein Raum möglich ist, auch auf der Buga, wo man das gar nicht so recht vermutet.
Das ist ne ganz große Chance. Also nicht nur Blümchen  zu schauen und sich an der schönen Natur zu erfreuen, sondern eben auch tiefer zu gehen und Fragen zu stellen oder nach Antworten zu suchen, wo man eben an so einem Tag auch Zeit für hat.

Und einen Pfarrer Sven Dreiser, dem man sich anvertrauen kann. Und der in seiner eher zurückhaltenden Art auf mich sehr Vertrauen erweckend wirkt. Es ist eine intensive, begrenzte Zeit, in der er täglich mit Leuten aus ganz verschiedenen Konfessionen und Traditionen zusammenkommt.

Meine persönliche Lernerfahrung ist die, dass ich mich mit meiner eigenen Tradition nicht so wichtig nehme, sondern dass das im Gespräch ist mit anderen Erfahrungen, mit anderen Traditionen auch und dieses Gespräch ist mir ganz wichtig, dieser Austausch.

Und die Erfahrung ist- es geht ökumenisch viel mehr als man meint. Wenn man einfach mal mutig ist und miteinander singt und betet- über konfessionelle Grenzen hinweg.

Ich hab letztens ein Ehepaar dabei gehabt, gut katholisch, die kamen zum freikirchlichen Gottesdienst, weil sie gesagt haben: im normalen Leben würden wir uns das nie anschauen, da ist die Hemmschwelle einfach zu hoch in so ein Gemeindehaus zu gehen, aber hier auf der Buga gucken wir uns das mal an, wie die das machen. Die waren auch sehr angetan von der Musik, von der Predigt, die bleiben weiterhin katholisch, aber haben einfach mal so 'n Hauch von Ökumene erlebt, die sonst im Alltag so nicht möglich wäre.

Die Bundesgartenschau ist ein besonderer, ein fast magischer Ort, die Buga. Erst schwebt man mit einer Seilbahn über den Rhein hinauf zur Festung Ehrenbreitstein. Dann erwartet einem dort oben ein üppig blühender Garten, so bunt, so duftend, so wunderschön, dass man mit offenem Mund da steht und einfach nur staunt.

Menschen staunen über die Schönheit dieser Natur und dann ist so der nächste Schritt, vom Staunen zum Danken, dem Schöpfer zu danken, der ist ganz klein. Und das erleben wir auch, Menschen drücken das auch aus. Das ist nicht nur Natur, das ist nicht nur gestalteter Garten, sondern das hat was mit Schöpfung zu tun und so stellen wir uns auch Gottes Wirken vor.

Ja, die Natur treibt schon tolle Blüten. Diese Vielfalt kann man auf der Buga als Reichtum erleben. So viele verschiedene Pflanzen, so viele verschiedene Konfessionen, so viele Menschen mit ihrer je eigenen Art zu glauben.

Felsenfest und Wandelweise- das Leben eines Pfarrers
Immer wieder fragen die Ehrenamtlichen auf der Buga den Mann neben dem Pfarrer: Wer sind denn Sie?

Und Johannes sagt dann: „Ich bin der Mann vom Herrn Dreiser." Und dann ist das überhaupt kein Problem. Genauso in unserem Ort. Ich würde sagen es ist ein gut katholisches Dorf. Da sind wir sehr integriert im Verein, wir singen beide mit im Kirchenchor und ich hab die Erfahrung gemacht. Grade bei den Älteren. Die haben im Kopf: das hat es immer schon gegeben. Und es hat sich nur niemand getraut, es offen zu zeigen, von daher ist da viel Sympathie, dass es mal jemand wagt oder macht.

Das war nicht immer so. Nach seinem Coming- Out musste er erst mal seine Gemeinde aufgeben und als Religionslehrer arbeiten. Dass er sich von Frau und Kind trennt, weil er schwul ist, das konnte die Gemeinde nicht akzeptieren. Und auch für mich ist das schwer vorstellbar: warum heiratet einer eine Frau und kriegt ein Kind, wenn er doch eigentlich schwul ist?

Es war für mich immer schon klar. Und ich habe geheiratet, eigentlich weil ich so ein Bild im Kopf hatte: ein Pfarrer hat verheiratet zu sein und er hat mindestens drei Kinder zu kriegen. Und dieses innere Bild war sehr dominant, alles andere hab ich einfach geleugnet. Und da bin ich sicher auch schuldig geworden gegenüber meiner Frau, wir waren 7 Jahre verheiratet und  das war eben nicht einfach.

Ich kann nur ahnen, an welchem Abgrund er da mit Mitte 30 gestanden hat: alles aufgeben, schuldig werden. Heute geht es allen gut mit seiner Entscheidung. Mit seiner geschiedenen Frau gibt es guten Kontakt, sein 16jähriger Sohn ist gerne bei ihm und seinem Partner. Und er selbst- ist eine Lebenslüge los. Liebe und Verantwortung- das ist für ihn in der alten wie in der neuen Beziehung das Wichtigste. Und hier beruft er sich auch auf den Apostel Paulus

Er hat ja nicht generell Homosexualität als Sünde bezeichnet, sondern eine bestimmte Art, damit umzugehen. Sexualität ist von Gott dem Menschen mitgegeben. Und wenn sie in Liebe und Verantwortung gelebt wird, dann denke ich, entspricht das auch dem Willen Gottes.

Beim letzten Gottesdienst hat sein Partner, der übrigens Florist ist, einen wunderschönen Blumenaltar gestaltet. Und es hat mich sehr berührt, wie respektvoll und herzlich die beiden miteinander umgegangen sind.

Einen Mann an der Seite zu haben, auf den ich mich bedingungslos verlassen  kann, wo wir beide miteinander eine Liebe leben, die schon anders ist als so unser Umfeld, aber die trotzdem akzeptiert und von daher normal ist. Also das ist schon eine schöne und beglückende Erfahrung.

Auf der Buga kann man sehen: Gottes Schöpfung ist bunt, vielfältig und artenreich. Und wir Menschen sind ein Teil davon. Mit unserer Art zu leben, zu glauben und zu lieben.
In der Begegnung mit Sven Dreiser auf der Buga ist mir klar geworden: was wäre das Leben so schön, wenn wir die Artenvielfalt in der Natur und im Glauben als Reichtum sehen könnten. Ich bin überzeugt: da gibt es noch viel zu entdecken. Weil Gott viel mehr Phantasie hat, als wir.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11109
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