SWR2 Zum Feiertag

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Maria Meesters im Gespräch mit Magnus Striet

Meesters: Zu Pfingsten stellt sich die Frage nach dem Heiligen Geist, denn die christlichen Kirchen feiern, bei uns sogar mit zwei Feiertagen, dass der Heilige Geist zu den Aposteln und zu Maria gekommen ist - 50 Tage nach Ostern, und dass er da eine Menge Bewegung ausgelöst hat.
Wer und was und wie dieser Heilige Geist ist, darüber spreche ich mit Prof. Magnus Striet. Er ist katholischer Theologe und lehrt an der Universität Freiburg.

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Herr Striet, die erste Quelle zum Thema Heiliger Geist ist ja wohl die Bibel, was findet sich da über ihn? 

Striet: Ja, was wir zunächst einmal finden das sind Versuche von Menschen, bestimmte Erfahrungen in Geschichten einzukleiden, also die berühmte Erzählung , wie man versammelt ist und der Geist über diese Menschen kommt. Also Menschen lassen sich offensichtlich bewegen auch nach dem Tod Jesu von diesem Gott, den dieser Mensch nahe gebracht hat, und sie finden sich nun selbst erfüllt von dem Geist, der der Geist Jesu ist. Also man muss hier ganz streng unterscheiden, das sind Geschichten, die erzählt werden, und in diesen Geschichten probieren Menschen ihre nachösterlichen Erfahrungen mit dem Jesus, mit dem Gott zu interpretieren, die sie tatsächlich in ihrem Leben machen.

Meesters: Das heißt, dieser Heilige Geist hängt auf jeden Fall ganz eng mit Jesus und mit seinem Leben zusammen.

Striet: Ja, das ist ganz strikt so einzuhalten. Der Geist, der hier beredet wird, der gefeiert wird, ist immer der Geist Jesu, und dieser Geist Jesu verweist auf den Gott, den Jesus selbst gelebt hat, ihn angesprochen hat, und das ist der Gott Israels, der Gott, der für die Menschen da sein will.

Meesters: Und welche Bedeutung haben dann diese Bilder? Also es wird ja erzählt, dass in Feuerzungen der Geist auf sie herabkommt.

Striet: Ja dieses Bild von den Feuerzungen will natürlich zum Ausdruck bringen, dass Menschen tatsächlich restlos von diesem Geist erfüllt sind, dass sie sich beanspruchen lassen, ihre eigene Existenz jetzt einbringen, und das auf verschiedenste Art und Weise. Also sie sind selber erfüllt davon, aber probieren jetzt auch nach außen das entsprechend zu erzählen. Also das Feuer, das brennt, wird im Bild von den Feuerzungen zum Ausdruck gebracht.

 Meesters: Bis hin - dass die Menschen sie für betrunken halten?

Striet: Offensichtlich ist es so wahrgenommen worden, dass diese Menschen voll ergriffen waren von dem Geist, der der Geist Jesu ist, und das hat befremdet, so wie es auch bis heute befremdet, wenn Menschen sich tatsächlich von Gott restlos in Anspruch nehmen lassen.

 Meesters: Mir wird der Heilige Geist anschaulicher noch durch Bilder wie Beistand, wie Tröster. Was sagen denn diese Bilder über ihn aus?

 Striet: Wir haben natürlich grundsätzlich das Problem, dass wir klären müssen: was macht eigentlich der Heilige Geist. Es gibt so die traditionelle Vorstellung, dass der Geist etwas im Menschen bewirkt. Ich wäre sehr vorsichtig mit so einer Ausdeutung, denn wenn wir tatsächlich bundesgeschichtlich denken, dass Gott einen Bund mit den Menschen eingeht, dann ist das immer strikt als ein Verhältnis zwischen Zweien zu begreifen: Der Gott, der sich frei zuwendet, und der Mensch, der frei antwortet. Das heißt, wenn sie Namensnennungen wie der Tröster, der Beistand nehmen. In dem Moment, wo sich Menschen sich auf diesen Gott einlassen, tatsächlich daran glauben können, dass sie sich immer bereits getröstet wissen dürfen, verändert sich ihr Leben. Der Druck, alles selbst leisten zu müssen, entgleitet, weil immer bereits mit einem Gott gerechnet wird, der noch mehr Möglichkeiten bereit hat, der tatsächlich Liebe ist, der ein Versprechen in die Welt gesetzt hat, und dann ist dieser Gott als Tröster, der als Tröster erscheinen wird, bereits in der Gegenwart da. Aber wichtig ist halt, immer zu sehen: es ist ein Freiheitsverhältnis, der Geist macht nichts im Menschen, weil wir auch sonst sofort die Frage uns stellen müssten: warum bewirkt er bei den einen etwas, und bei den anderen nichts? Viele Menschen, die diesen Geist nicht erfahren; sondern es ist ein strenges Verhältnis: Menschen lassen sich auf diesen Geist ein, und in dem Moment verändert sich ihr Leben. Wir können es auch im menschlichen Vergleich uns denken. In dem Moment, wo ich mich tatsächlich auf einen anderen Menschen einlasse, verändert sich mein Leben, weil ich jetzt in einer Beziehung existiere, und genauso ist es auch mit dem Geist Gottes zu verstehen. In dem Moment wo ich mich auf ihn einlasse, ihn in mein Leben hinein lasse, verändert sich mein Leben, weil ich mich jetzt als getröstet wissen darf.

 Meesters: Das heißt, da ist keine automatisch wirkende Kraft - er ist keine gegen den Willen von Menschen wirkende Kraft

 Striet: Genau. Es ist keine gegen den Willen wirkende Kraft, weil dieser Gott, den der Gott Jesu nahe gebracht hat, einer ist, der die Freiheit des Menschen ganz strikt achtet. Er will beim Menschen ankommen, aber er wird das nicht über die Freiheit der Menschen hinweg tun; das heißt, Menschen müssen sich auf ihn einlassen, und dann geschieht das. Gleichzeitig darf aber auch damit gerechnet werden, dass in dem Moment, wo Menschen sich nicht auf diesen Geist einlassen, diesen Gott einlassen, warum auch immer, Gott immer noch für sie da sein wird.

 Meesters: Der Heilige Geist gilt ja als eine der drei göttlichen Personen - wie ist denn diese Zuordnung zu verstehen? In wiefern ist der Geist Gott?

 Striet: Das ist eine der schwierigsten Fragen in der Theologiegeschichte, um die bis heute gerungen wird. Mir ist wichtig, dass man darauf hinweist, dass in der Person des Geistes die Gegenwart Gottes, des einen Gottes, zu allen Zeiten, in allen Kulturen ausgesagt wird, und das hängt eben damit zusammen, dass man diesen Gott als einen Gott aller Menschen glaubt. Als einen Gott von grenzenloser Menschenzugewandtheit, und deshalb ist auch damit zu rechnen, dass er immer gegenwärtig ist. Aber er ist gleichzeitig verborgen, weil er nur dann tatsächlich gegenwärtig sein kann, wenn Menschen ihn an sich heranlassen. Das Zueinander der drei göttlichen Personen, wie man sagt, ist eine komplexe Frage - also ich neige selber dazu, das so auszudeuten, dass tatsächlich drei gleich ursprüngliche Personen in Gott existieren, die die verschiedene Zuwendungsweisen des einen Gottes in die Geschichte hinein, in die Kulturen hinein, zum Ausdruck zu bringen versuchen.

 Meesters: Ich persönlich setze sehr viel Hoffnung auf den Heiligen Geist, und zwar in dem Sinne: Ich stelle mir immer vor, dass der Heilige Geist im Menschen die Fragen nach Gott wachhält und, etwas salopp gesagt, dafür sorgt, dass die Antworten nicht so total daneben liegen.

 Striet: Ja damit kann ich mich gut befreunden. Tatsächlich gehe ich auch davon aus, dass Gott gegenwärtig ist, um mich wirbt, da sein will für den Menschen, allerdings möchte ich immer auch darauf achten, dass es tatsächlich der Mensch ist, der sich ausstreckt nach diesem Gott, so dass es ein wirkliches Zueinander ist, das sich als Freiheitsverhältnis ausdrückt. Aber in der Tat würde ich auch sagen, diese Faszination, die Gott für uns sein will, die durchschimmert durch seine Welt, durch seine Schöpfung, durch die Geschichte, durch menschliche Erfahrungen, die lassen sich dann als Geisterfahrungen ausdeuten.

 Meesters:  Pfingsten wird ja oft das Geburtsfest der Kirche genannt. Halten Sie das für angemessen, und wie ist das Verhältnis Heiliger Geist und Kirche zu sehen?

 Striet: Ja ich halte das für angemessen, wenn man nicht einen zu engen Kirchenbegriff, einen zu fixierten Kirchenbegriff anlegt. Wenn man zunächst einmal unter Kirche diejenigen zusammenfasst, die sich auf diesen Gott, der in Jesus offenbar geworden ist, einlässt, dann ist das Pfingstfest tatsächlich die Schilderung der Entstehung der Kirche. Und dass das dann auch Strukturen gewinnt, ist selbstverständlich. Menschen leben in Strukturen, aber gleichzeitig ist es auch eine Weite mit zu sehen, denn der Geist, der da offenbar wird, sich kirchlich darstellt, ist kein Geist, der einengt, der Menschen fixiert, sondern der in die Weite des Lebens, in die Weite der Freiheit hineinführen will. Deshalb kann auch nur eine Kirche sich auf den Geist, der an Pfingsten gefeiert wird, berufen, die eine Kirche der Freiheit ist.

 Meesters: Es gibt so eine etwas geheimnisvolle Formulierung. Das ist die so genannte „Sünde wider den Heiligen Geist". Davon ist in der Bibel die Rede. Die Sünde wider den Heiligen Geist, die nicht vergeben werden könne.

 Striet: Der Vers hat mich als Student sehr beunruhigt. Ich wusste nie so richtig, wie ich ihn ausdeuten soll. Ich würde folgenden Vorschlag machen: Die Sünde wider den Heiligen Geist ist im Glauben selbst zu erlernen. Also nur diejenigen, die bereits in diesen Glauben hinein gelangt sind, können beginnen, zu sündigen. Das hieße, die Sünde wider den Heiligen Geist wäre: in dem Glauben zu sein, anfänglich ihn riskiert zu haben, und dann doch wieder ängstlich auf die alten Möglichkeiten zurückzufallen, d.h. ängstlich man selbst sein zu wollen, wie der dänische Philosoph Kierkegaard es formuliert hat. Warum kann dann diese Sünde nicht vergeben werden? Weil Gott nicht über die Freiheit des Menschen hinweg gehen kann und will. Weil er ein Freund des Menschen sein will. Aber das ist nicht moralisch rigoristisch zu verstehen, sondern sie kann nicht vergeben werden, weil Gott darauf hofft, dass der Mensch selbst zurückfindet in diesen Glauben. Aber jetzt kann man natürlich die Frage stellen, wenn Gott tatsächlich eines Tages allen Menschen offenbar sein wird, also in dem, was wir dann Himmel nennen, ob dann tatsächlich noch Menschen diese Sünde wider den Heiligen Geist leben wollen. Denn wenn Gott tatsächlich unbedingt vorbehaltlose Liebe ist, werden sich alle Menschen auf ihn einlassen

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