SWR1 Begegnungen

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Annette Bassler trifft Hans-Peter Betz, Schuldirektor,  Fastnachtsredner, begegnungen > betz..jpg
Vorsitzender der Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz"

Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht. Am kommenden Freitag läuft wieder der Klassiker der Fastnachtssitzungen in der ARD. Und er sitzt auf der Bühne: Sitzungspräsident Hans-Peter Betz. Im wirklichen Leben ist er Schuldirektor. Auf der Bühne liest er als Mainzer Buchdruckerfinders Gutenberg seinen Zeitgenossen die Leviten. Dabei schont er auch die im Saal anwesende Politprominenz nicht. Allen wohl und niemand- Weh- mit dem Wahlspruch vieler Fastnachter kann er nichts anfangen.

Wenn wir als Fastnachter kneifen, wer soll's denn dann sagen? Wenn wir dem Volk aufs Maul schauen und sagen, was das Volk bedrückt. Müssen wir doch. Solche Sprüche wie allem wohl und niemand weh damit kann ich nichts anfangen. Das muss sein. Man muss Farbe bekennen.

Teil 1: Guddi Gutenberg liebt die Freiheit des Geistes
Die Gedanken sind frei- steht auf der Wand des Gartenhäuschens. Licht durchflutet das Haus im alten Ortskern von Mainz- Gonsenheim. Vom Esstisch aus hat man herrliche Aussicht auf eine Wendeltreppe, von der Dutzende von Fastnachtsorden herunterhängen.
Weißes Hemd, ärmellose Jacke, Perücke, Datschkappe und leicht schiefes Lächeln- das ist Hans-Peter Betz als Guddi Gutenberg. Da erweckt er den Mainzer Buchdrucker Gutenberg zu neuem Leben.

Der Gutenberg hat einen ganz guten Überblick, und er kommt überall rum und hört und guckt und macht sich so seine Gedanken. Der hat ja Zeit als Denkmal.

Und aus dieser Gelassenheit heraus schießt die Fastnachtsfigur Guddi Gutenberg so manche spitze Pointe ab. Auf der Bühne steht er immer neben seinem Sockel, ganz menschlich locker. Aber wenn er loslegt, bleibt so manchem Politpromi das Lachen im Halse stecken. Aber beim parteilosen Betz- ähm Gutenberg sind ja zum Glück alle mal dran. In diesem Jahr wird Guddi Gutenberg nicht so viel Gutes an seinem Namensvetter Karl-Theodor finden.

Der von diesen bunten Blättern gepuscht worden ist ohne Ende. Ich dachte immer- naja, der kann sich dagegen nicht wehren. Aber er benützt das und das hab ich gespürt- und er benutzt es immer noch. Und er macht Politik wie sie Amerikaner machen, nämlich nicht mit Argumenten sondern mit Fotos. Der Knabe ist ein Blender. Und das möchte ich den Leuten rüberbringen. Ich möchte sie davon überzeugen, dass man solche Karrieren sehr genau hinterfragen muss.

Was ja inzwischen passiert. Wenn auch vielleicht ein bisschen spät. Es waren  übrigens die Rundfunkanstalten, die den parteilosen Betz als Sitzungspräsident durchgesetzt haben. Sein Vorgänger im Amt des Sitzungspräsidenten, war ja Referent von Helmut Kohl.

Es ist typisch für die Fastnacht in den 50er und 60er Jahren, dass die Vorträge so schwarz waren, dass nach jedem Vortrag hinterher der Ruß aus der Bütt gekehrt werden musste. Und so ist es auch in vielen Köpfen der Bevölkerung gewesen.

Hans-Peter Betz dagegen mag alles, was nach Freiheitsbewegung riecht. Für ihn hat die literarische Fastnacht von Mainz ihre Wurzeln im Jahr 1793.

Als in Mainz die erste Mainzer Republik entstanden ist, da hatte man 3 Monate ja eine Demokratie, eine Stadtdemokratie. Der Adel wurde zum Teufel gejagt und man hat in einem Komitee als neu erstandenes Bürgertum die Stadt verwaltet.

Das haben die Preußen und Bayern zwar schnell beendet. Aber Mainz hat sich diese Tradition in seiner Fastnacht bis heute bewahrt. Wie zum Beispiel im Fastnachtsgruß- der militärische Gruß mit der Hand links vom Kopf ist eine Veräppelung des Militärgrußes der Besatzer. Und so hat Hans-Peter Betz so seine große Freude gehabt an der Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21.

Diese Schwaben, die eigentlich den Ruf haben, nichts anderes zu tun, an einem Häuschen zu bauen und ansonsten darauf bedacht sind, ihre Kohle zusammen zu halten. Dass die plötzlich so aufmüpfig werden und da den Polizisten die Maultaschen um die Ohren schmeißen. Und dass dann so gar alte Schwaben mit ihren Stöcken auf Polizisten losgehen, wie in Stuttgart geschehen, da zieh ich meinen Hut davor.

Teil 2: Mutterlust und Kirchenfrust
Volkskunst- so nennt Hans-Peter Betz die Tradition der Büttenreden. Volkskunst, das ist der Humor, wie er von unten, von den kleinen Leuten her gewachsen ist. Wer so ein Volkskünstler ist, braucht etwas, was man eigentlich nicht lernen oder vor dem Spiegel trainieren kann, meint Hans-Peter Betz: und das ist Mutterwitz. Mutterwitz, wie ihn zum Beispiel seine Friseurin in Mainz hat. Und dann beim Haareschneiden zu ihm sagt:

Peter, weißt du ne Wurst, die mit U anfängt? Uffschnitt! Das ist so komisch, so doof, da könnte ich mich wegschmeißen. Die hat Mutterwitz.

Und wie ist das mit ihm selber?  Woher hat er seinen Humor?

Wie Goethe geschrieben hat: vom Vater hatt ich die Statur des Lebens ernstes Führen, vom Mütterchen die Frohnatur, die Lust, es zu fabulieren. Ich glaub das hab ich von ihr geerbt. Sie ging dann auch in die Bütt, hat auch tollen Erfolg gehabt. Und da hab ich mir gedacht, was die Mama gemacht hat, das kannst du später auch mal machen.

Eine Frohnatur von Mutter und ein-harmlos ausgedrückt- überstrenger Vater, das sind die Ressourcen, die ihn als Fastnachtsredner zur Hochform auflaufen lassen. Liebe zu Wahrhaftigkeit und Freiheit und Zorn über deren Unterdrücker sind höchst kreativ miteinander verschmolzen. Es gehört schon etwas dazu, in Mainz etwas zu sagen zu haben, auch wenn man keiner Partei angehört. Und nicht einmal Mitglied einer Kirche ist. Ja, aus der ist er im Alter von 20 Jahren ausgetreten. Warum?

Ob das jetzt evangelisch oder katholisch ist- die sind eingeengt. Und eine Kirche würde mich zu sehr einengen.

Kirchliche Enge- das sagt mir was. Aber ich frage mich doch: Woher weiß er, dass Kirche ihn einengen würde, wenn er so lang schon nicht mehr hingegangen ist?

Ich habe als Jugendlicher Pfarrer erlebt, mein lieber Mann, da war einiges gefällig. Und auch Religionslehrer in der Schule, da erinnere ich mich nicht unbedingt gerne daran.

Genau hingucken tut halt weh. Vielleicht ist es da besser, als Büttenredner denen auf der Kanzel echte Konkurrenz zu machen. Als Prophet und Mahner- allerdings mit einem Schuss Humor gewürzt, sodass man die Botschaft besser verdauen kann.
Ich jedenfalls könnte ihm stundenlang zuhören. Die „standing ovations" in einem vollen Saal bedeuten ihm auch was. Aber das ist nicht alles.

Eine Frau kam nach einer Sitzung auf mich zu und sagte: wissen Sie, mir geht's eigentlich ganz dreckig ich bin schwer krank und wenn ich zu Ihnen auf eine Sitzung komme, dann vergesse ich das vier, fünf Stunden. Das ist eine Bestätigung, die ist mir was wert.

Ich muss da an Martin Luther denken. Der den Leuten aufs Maul geschaut und gesagt hat: Man muss den Teufel verlachen. Danke, lieber Gutenberg, würde Luther sagen, dass du mir meine schöne Bibel gedruckt hast! Und Gutenberg würde antworten: Aber immer! Ich hab ja auch vorher mit dem Druck der Ablassbriefe ordentlich verdient.

Ja und an dieser Stelle hör ich auf, mach mich wieder auf meinen Sockel rauf, weil ich ja ein Denkmal bin, stelle ich mich dort auch wieder ganz gemütlich hin. Ich will sie auch net weiter stören. Meine Damen und Herrn, es hat mich sehr gefreut. War mir eine Ehre.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10125
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