Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Die Klänge einer Geige können verzaubern. Das habe ich selbst immer wieder erlebt, denn mit 10 Jahren habe ich angefangen Geige zu lernen. Doch allein mit den vier Saiten und dem Bogen, der das Instrument zum Klingen bringt, ist es nicht getan.
Bei keinem anderen Instrument ist die individuelle Ausführung der einzelnen Bauteile für den Klang so wichtig wie bei der Geige, sagt der Geigenbaumeister Martin Schleske. Begeistert erzählt er im Internet, wie lange es manchmal dauert, bis er das richtige Stück Holz gefunden hat, das er dann „Sängerstamm“ nennt. Sein Handwerk ist für ihn auch ein Sinnbild für das Geheimnis des Lebens.
Den Bau einer Geige vergleicht er mit dem Lebensweg des Menschen. „Wie der Geigenbauer aus einem Stück Holz einen wunderbaren Klangkörper schafft, so kann Gott uns - mit all unseren Mängeln - zum Klingen bringen“, sagt Schleske.
In seinem Buch „Der Klang: vom unerhörten Sinn des Lebens“ schreibt er unter anderem über das menschliche Herz und was darin Resonanz erzeugt: nämlich die Liebe. Nur als Liebende, ist Martin Schleske überzeugt, können wir Menschen uns entwickeln und unseren Platz im Leben finden.
Das kann ich gut unterstreichen. Alleine zu leben ist gar nicht so leicht. Gemeinsam mit meiner Partnerin, in Liebe verbunden, lässt es sich oft so leicht leben. Ich möchte das nicht mehr missen. Das schönste Geschenk Gottes an uns Menschen ist, dass wir Menschen uns lieben, und auch achtsam und sorgsam miteinander umgehen können.
Wenn ich früher alleine zu Hause Geige geübt habe, dann hatte ich oft das Gefühl, dass etwas fehlt. Erst im gemeinsamen Musizieren ist die Musik richtig schön geworden. Bis heute liebe ich es, Streichern im Orchester zuzuhören. Da spüre ich, über aller Anstrengung des Spielens, die Leichtigkeit und die Freude. Immer wieder. Ein Miteinander. In allen Facetten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37323Hagar ist Magd von Sara, der Frau von Abraham. Und diese kann keine Kinder bekommen. Das ist schlimm für sie. Denn ohne Kinder hat ihre Familie keine Zukunft. Sara´s Idee: Abraham soll mit Hagar ein Kind zeugen. So wird Hagar schwanger, und das macht Sara Angst. Abraham könnte Hagar lieber haben als sie. Deshalb verachtet Sara Hagar und lässt sie die niedrigsten Dienste tun, bis Hagar in die Wüste davonläuft.
Da sitzt Hagar nun verzweifelt, bis ein Engel des Herrn zu ihr tritt. Er gibt Hagar den Auftrag, wieder zu Sara zurückzukehren und verspricht Hagar einen Sohn, der Ismael heißen und Vater eines großen Volkes werden soll. Da fühlt Hagar sich angesehen von Gott. "Du bist ein Gott, der mich sieht."
Das ist für uns in der Kirche das Wort des Jahres 2023.
In den drei abrahamitischen Religionen, bei Christen, Juden und Muslimen wird Hagar bis heute verehrt. Gut ist es, wenn Menschen sich gegenseitig achten und annehmen, auch wenn es nicht immer ganz leicht ist.
Wie gut das klappen kann, habe ich im Religionsunterrichts erlebt.
Es gibt da nämlich einen Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler zum Thema „Abraham hat viele Kinder, Glaube verbindet“. Der erste Preis ist an eine Gruppe gegangen, die einen Film gemacht hat über drei Schüler aus den drei Religionen. Sie werden nach Jerusalem eingeladen, um dort ihren gemeinsamen Vater kennen zu lernen. Unterwegs, gemeinsam im Taxi, stellen sie fest, dass sie in ihren Religionen sehr viele Gemeinsamkeiten haben, etwa im Gebet und in der Sorge für andere. Und sie stellen fest: Nicht ihre Religion ruft zu Unfrieden auf. Es sind Menschen, die die Religion missbrauchen und zum Kampf und Terror aufrufen. In Jerusalem treffen sie Abraham: Ihr seid alle meine Kinder. Und die drei umarmen sich: wir sind Geschwister.
Die Begegnung mit den Schülerinnen und Schülern aus den drei Religionen hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, miteinander zu sprechen, und nicht nur übereinander.
Nicht nur für Hagar, auch für uns heute gilt:
Gott ist ein Gott, der jeden einzelnen sieht. Und deshalb stehen auch wir zusammen mit unseren Religionsgeschwistern, und letztlich auch mit allen Menschen auf der Welt.
Jedes Jahr am 22. März ist der Internationale Tag des Wassers. Er soll uns daran erinnern, dass mindestens eine Milliarde Menschen auf der Erde keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Und dementsprechend mit den Folgen kämpfen.
Ich habe Glück und lebe in Baden-Württemberg in einer Region, in der es noch genug Wasser gibt. Mich macht aber auch nachdenklich, dass bisher nur relativ wenig Schnee in diesem Winter im Schwarzwald gefallen ist. Er wird nicht ausreichen, um die Grundwasserspiegel genügend aufzufüllen.
Vor einigen Tagen bin ich mit dem Zug durchs Rheintal nach Bonn gefahren. Erschreckend, wie wenig Wasser der deutsche Hauptfluss zurzeit führt.
Im Nahen Osten ist es der gut 250 Kilometer lange Jordan, der das Leben in Israel, Syrien, Jordanien und den Palästinensergebieten gewährleistet. Der Nahe Osten ist eine der regenärmsten Regionen der Welt. Vermutlich ist es schon in biblischer Zeit so gewesen.
Und weil mehr Menschen mit Wasser versorgt werden müssen, als der Jordan hergibt, gibt es bereits jetzt immer wieder Verteilungskämpfe. Manchmal wird im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben.
Eins ist sicher: Es gibt für unser Leben nichts Elementareres als Wasser. Wasser ist „heilig“. Wer Wasser hat, hat Leben.
Man muss nicht einmal ein religiöser Mensch sein, um das zu verstehen. Ich glaube, dass wir ganz besonders behutsam mit Trinkwasser umgehen müssen. Um es nicht zu verschmutzen. Um es nicht zu verschwenden. Denn wenn kein Trinkwasser mehr da ist, ist auch unser Leben zu Ende.
Lassen wir es nicht so weit kommen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37321Thor ist super-stark, Spiderman kann klettern und Fäden spinnen, Robin Hood verhilft Armen zu ihrem Recht.
Ach, manchmal wäre ich auch gern so ein Held. Am liebsten wie Harry Potter - Alohomora! und so. Zauberstab, Magie, das Gute gewinnt!
Oder wenn ich vielleicht ein bisschen Talent im Gedichte-Schreiben hätte, wie Amanda Gorman, die bei der Amtseinführung von Joe Biden gesprochen hat.
Oder wenn ich wenigstens so musikalisch wie Ed Sheeran wäre, der mitreißende Musik schreibt und damit Millionen begeistert.
Doch die Realität: die meisten von uns sind weder poetisch, noch musikalisch, noch Hexen oder Zauberer.
Obwohl? Doch, ich glaube, viele von uns sind es, auf ihre Weise.
Die Sozialarbeiterinnen zum Beispiel, mit denen ich neulich gesprochen habe. Sie kümmern sich zur Zeit hauptsächlich um geflüchtete Menschen. Und sie sorgen dafür, dass die Menschen in unserem, für sie fremden Land ankommen. Ihr Zauberstab ist einfach ein Kugelschreiber, mit dem sie Formulare ausfüllen und Geld beantragen. Das wiederum ermöglicht vieles und öffnet Türen. Alohomora!
Ihre Magie ist ihr Einsatz für die Menschen. Und das machen sie jeden Tag. Unermüdlich.
Natürlich keineswegs so blauzauberhaft-schillernd wie der Patronus-Zauber bei Harry Potter - der aber auch schützt und Segen bringt. Und genau so empfinden es die Menschen, für die sie im Einsatz sind: Sie fühlen sich beschützt und sie spüren, dass es ein Segen für sie ist.
Das sind sie, meine Superhelden - die die Berge der Bürokratie bezwingen und Wege ebnen. Ganz ohne Magie. Dafür mit viel Entschlossenheit, ein bisschen Findigkeit, und oft einer guten Portion Gottvertrauen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37320Marie und Timo gefielen sich auf den ersten Blick, Matthias und Lara kamen zufällig ins Gespräch, Lisa und Niels tauschten gleich die Handynummern ... Die Geschichten dieser Paare habe ich vor kurzem in einer Zeitschrift gelesen, die in den Fernzügen der Bahn ausliegt. Es hat gefunkt zwischen den Paaren, bei manchen im Zug, oder bei anderen auf dem Bahnsteig. Alle haben sie zueinander gefunden, trotz ganz unterschiedlicher Reisepläne.
Es hat mir große Freude gemacht, diese wunderbaren Geschichten zu lesen. Das freundliche, einladende Lächeln von Marie. Oder Lara, die vorsichtig gefragt hat, ob der Platz noch frei ist. Und dann haben sie die ganze Fahrt über miteinander gesprochen.
Wie im Film, habe ich mir gedacht. Nur da konzentriert sich die Kamera auf das Besondere. Da ist nicht nur das Lächeln, sondern auch die strahlend blauen Augen in Großeinstellung.
Und gerade dieser verschärfte Blick auf das Besondere ist etwas, das ich gerne für mein Leben übernehmen will. Wenn ich im Zug unterwegs bin, hoffe ich meistens, dass der Platz neben mir frei bleibt und ich in Ruhe aus dem Fenster schauen oder arbeiten kann.
Da hat sich neulich eine junge Frau neben mich gesetzt im Zug, die eigentlich ganz woanders ihren Platz hatte. Aber dort ist es wegen einer Gruppe nur laut gewesen. Und sie hat eine Maske getragen, obwohl man es nicht mehr braucht. Das hat mich zu der Annahme verleitet, dass sie eher kein Gespräch sucht. Doch es hat sich ein tolles Gespräch entwickelt über unsere Berufe und Religion. Echt kurzweilig. Und spannend.
Das habe ich als etwas ganz Besonderes empfunden. Und ich bin sehr froh gewesen, dass ich die Frage der jungen Frau nach dem Platz neben mir mit ja beantwortet habe.
Mir wird oft gar nicht bewusst, wie schnell ich besondere Momente verpasse. Und erst später frage ich mich, warum es mir so wichtig ist, alleine zu sitzen. Ob ich nicht viele tolle Begegnungen stattdessen haben könnte?
Wäre es nicht schön, wenn wir viel mehr besondere Momente wie den mit der jungen Frau im Zug oder von Marie und Timo, von Matthias und Lara, von Lisa und Niels erleben könnten?
Und wer weiß, welches Drehbuch Gott noch für uns geschrieben hat, welche Wunder noch auf uns warten?!
Halten wir die Augen offen, für die besonderen Momente in unserem Leben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37319