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Übermorgen beginnt die Adventszeit. Wie jedes Jahr will ich die bewusst wahrnehmen. Denn das tut mir gut. Ich werde wieder jeden Abend für eine Zeit lang alles weglegen und eine Kerze anzünden. Und einfach still da sitzen beim Schein der Kerze. Nach einiger Zeit will ich eines der alten Adventslieder singen. Am liebsten singe ich: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit." Also Gott selbst. In der Person von Jesus Christus. Der kommt in die Welt und zu mir.
Advent heißt ja wörtlich Ankunft. Gott ist in seiner Welt angekommen und wir warten auf sein Kommen am Ende der Zeit.
Mir macht das Mut und es tröstet mich. Es erinnert mich: Die Welt ist nicht sich selbst überlassen und ich bin in der Welt nicht allein. Mitten in mein Leben hinein und in unsere Welt kommt Gott, der alles Leben geschaffen hat und erhält.
Ich weiß aber auch, dass vielen diese Gedanken fremd sind und seltsam vorkommen. Sie rechnen nicht mit einem lebendigen Gott. Sie meinen vielleicht: Wir sind uns selbst überlassen. Wir müssen für alles selbst sorgen. Advent ist dann vielleicht nur noch eine Erinnerung an Kindheitstage.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen damit geht. Vielleicht probieren sie es ja mal aus. Vielleicht können Sie auch einmal alles zur Seite legen und eine Kerze anzünden. Spüren wie das ist, wenn Sie nicht tätig sind. Auch einmal nicht planen oder sorgen.
Nur da sein. Und wenn Sie möchten, singen oder lesen Sie die erste Strophe von dem Lied: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit." Einfach das einmal ausprobieren, jeden Abend einmal für fünf Minuten. Vielleicht tut das etwas mit Ihnen. Vielleicht kommt da eine Sehnsucht hoch, dass das stimmen möge, was die Worte sagen.
Und vielleicht öffnet es sie für Gott und schenkt Ihnen eine große Weite. So habe ich es bei einer alten Frau am Krankenbett erfahren. Ich habe sie im Advent besucht und mit ihr zusammen das Lied gesungen: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit." Da hat sie ihre Augen weit geöffnet und gelächelt.

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Für manche Menschen scheint es keine Hoffnung mehr zu geben. Sie haben die Hoffnung und sich selbst aufgegeben. Das Leben ist ihnen zu beschwerlich geworden. Es gibt anscheinend keine Hoffnung mehr auf Besserung.
Mühselig hat der Liederdichter Paul Gerhardt sein Leben auch empfunden. Die Zeit des 30igjährigen Krieges war grausam. Ein Drittel der Menschen in Deutschland kam um. Paul Gerhardt hat seine Frau und vier seiner fünf Kinder verloren. Der Kurfürst von Brandenburg hat ihm Berufsverbot erteilt. Sein Pfarramt wurde ihm weggenommen.
Da hat er sein Lied gedichtet: „Ich bin ein Gast auf Erden und hab hier keinen Stand."
Von der Welt spricht er als von einem fremden Zelt, in dem er nicht bleiben will, und von einer Herberge, die zu böse ist mit zu viel Leid. Wer schwer krank ist oder gar unheilbar, wem das Leben zu beschwerlich geworden ist, der kann mit diesen Worten von Paul Gerhardt vielleicht etwas anfangen.
Und - Gott sei Dank - der Liederdichter bleibt nicht bei seiner lebensmüden Klage. Paul Gerhard schreibt weiter: „Mein Heimat ist dort droben, da aller Engel Schar den großen Herrscher loben..." Er hofft trotz allem, dass noch etwas kommt und dass das mehr ist als alles, was wir hier und heute erleben können. Dass da eine Hoffnung ist auch für Menschen, für die das Leben unerträglich geworden ist.
Trotz allem glaubt Paul Gerhardt an Gott, der das Leben geschaffen hat. Gott lässt seine Geschöpfe nicht im Stich. Er hält das Leben in seiner Hand, auch über alles Leid und sogar über den Tod hinaus. Und so heißt es in dem Lied:
„Zu dem steht mein Verlangen, da wollt ich gerne hin." Das ist mehr als Weltflucht, da ist eine große Sehnsucht nach Gott selbst. Ich finde in diesem Lied Worte, die ich manchmal als Abendgebet spreche: „Die Herberg ist zu böse, der Trübsal ist zu viel. Ach komm, mein Gott und löse mein Herz, wenn dein Herz will, komm, mach ein seligs Ende an meiner Wanderschaft, und was mich kränkt, das wende durch deinen Arm und Kraft." Mir gibt dieses Lied Hoffnung und Kraft für meinen Lebensweg, auch in schweren Zeiten. Ich wünsche und bete, dass es mir auch am Ende meines Lebens Halt gibt.

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„Selig sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden." Jesus hat das in der Bergpredigt gesagt. Ich finde: Das klingt nach Verherrlichung von Leid. Wer will schon Leid tragen? Getröstet werden schon, aber Leid tragen?
Andererseits: viele tragen Leid, manchmal sehr verborgen, sie lassen es sich nur nicht anmerken. Manchmal offensichtlich. Man muss nur hinsehen. Hunger und Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit: In der weltweiten Informationsgesellschaft ist das Leid nicht zu übersehen, wenn man die Augen nicht verschließt.
Und auch in meiner näheren Umgebung sehe ich Leid. Wer einen Angehörigen oder Freund hat, der schwer krank ist, oder selbst schwer erkrankt ist, der spürt, wie viel Menschen leiden.
Der kann vielleicht auch den Liederdichter und Pfarrer Paul Gerhardt verstehen. Der hat zu Beginn seines letzten Lebensjahrzehnts gedichtet:

„Was ist mein ganzes Wesen von meiner Jugend an
als Müh und Not gewesen? Solang ich denken kann,
hab ich so manchen Morgen, so manche liebe Nacht
mit Kummer und mit Sorgen des Herzens zugebracht."

Leid tragen. Was tröstet da? Sicher nicht, dass es anderen auch schlecht geht oder gar noch schlechter. Aber helfen kann es, dass ich weiß, mein Leiden ist nicht meine Schuld und es ist auch keine Strafe. Leiden gehört zum Leben. Man kann es nicht aus dem Leben verbannen. Man muss nicht gleich so vollmundig reden, wie es bei Paul Gerhardt im ersten Moment klingt:
„Es muss ja durchgedrungen, es muss gelitten sein;
Wer nicht hat wohl gerungen, geht nicht zur Freud hinein."
Nein, so kann ich nicht immer sagen. Manches Leid ist nicht mehr zu tragen. Aber Mut macht er mir schon dieser fast lebensmüde Dichter aus der schweren Zeit des 30 jährigen Krieges. Das Leiden trägt er. Er kämpft. Er lässt sich nicht klein kriegen und er rechnet mit einem guten Ende. Er setzt auf den Himmel und empfindet das nicht als ein billiges Vertrösten. Seine Hoffnung gibt ihm Kraft zum Kämpfen. Wie er will ich mich darauf verlassen: Am Ende wartet Gott auf mich. Der hilft mir durchhalten.

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„Wir haben die Erde nur von unseren Kindern geliehen", das liest man öfter. Wenn das stimmt, müssen wir mit der Erde behutsamer umgehen und mit der Natur, den Rohstoffen und der Energie. Dann sind wir nur Gäste auf unserer Erde. Wir leben von dem, was uns geschenkt ist und was uns die hinterlassen haben, die vor uns gelebt haben. Wir sollen fragen, was dem Leben dient und was ihm schadet. Was wir verbrauchen dürfen und was ein Raub gegenüber der nächsten und übernächsten Generation unserer Kinder und Enkelkinder ist.
Diese Einsicht ist gar nicht so neu. Der Liederdichter Paul Gerhardt hat vor 350 Jahren als älterer Mensch ein Lied geschrieben, das so beginnt: „Ich bin ein Gast auf Erden und hab hier keinen Stand." Er meint, ich habe auf der Erde keinen langen Bestand. Ich bin nur für eine relativ kurze Zeit von ein paar Jahrzehnten zu Besuch. Dann muss ich wieder loslassen, dann endet mein Leben. Wenn ich aber ein Gast bin und nicht der Eigentümer und wenn wir die Erde von unseren Kindern geliehen haben, dann sollen wir sie auch wie gute Gäste behandeln, nicht randalieren und nichts zerstören.
In seinem Lied hat Paul Gerhardt auch gedichtet: „Ich bin ein Gast auf Erden und hab hier keinen Stand, der Himmel soll mir werden, da ist mein Vaterland." Das ist heute nicht mehr so eindeutig. Wer rechnet schon mit dem Himmel und einem Leben nach dem Tod? Dabei hängst das doch miteinander zusammen: Das Leben nach dem Tod und die Frage, wie wir vorher gelebt haben.
Ich glaube, wer mit einem Leben nach dem Tod rechnet und damit, dass er einmal zur Verantwortung gezogen wird für das, was er hinterlässt, der wird aufmerksamer fragen: Was habe ich zum Leben geschenkt bekommen? Wie gehe ich mit dem, was mir geschenkt ist, liebevoll und pfleglich um? Wie kann ich mehr die wahrnehmen und unterstützen, die zu kurz gekommen sind?
Wer mit dem Himmel rechnet, muss auf der Erde nicht alles ausgenutzt haben. Er weiß, was genug ist, das ist genug und es soll noch genügend zum Leben übrig bleiben für unsere Kinder und Enkel. Denn die haben uns die Erde geliehen.

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Gestern war Totensonntag. In den evangelischen Gottesdiensten sind die Namen der Verstorbenen der letzten 12 Monate vorgelesen worden. In manchen Kirchen wurden dabei Kerzen angezündet. Bei jedem Namen eine.
Wer an Verstorbene denkt, der spürt, die Menschen sind nicht vergessen, die einmal mit mir gelebt haben.
Wenn ich mich an sie erinnere, vielleicht sogar im Gottesdienst mit anderen zusammen, dann werden die Toten noch einmal gewürdigt. Und wer sie lieb hatte und jetzt schmerzlich vermisst, kann noch einmal seine Trauer zulassen, ihr so ihr Recht geben.
Wenn ich an die Verstorbenen denke, dann kehren sie nicht leibhaftig zurück, aber in meinen Gedanken und Gefühlen kommen sie mir nahe. Und Schmerz und Trauer auch, vor allem, wenn ihr Tod noch nicht lange zurück liegt. Aber manchmal geht auch Dankbarkeit auf, wie das Licht der kleinen Kerze. Beides darf sein. Und ich kann so sagen: „Es tut mir weh, dass du nicht mehr da bist, aber ich bin dennoch dankbar, dass du da warst, dass ich mit dir das Leben teilen durfte. Du fehlst mir. Ich bin nicht mehr ganz. Aber wenn du nicht da gewesen wärst, wäre mein Leben viel, viel ärmer."
Im Gottesdienst gestern wurden Gott die Verstorbenen genannt. Angehörige haben für sie gebetet, dass Gott sie nicht loslässt. Dass er sie aufbewahrt im Buch des Lebens. Das kann trösten. Wer so betet, kann vielleicht besser loslassen und die Toten Gott überlassen.
Einen besonderen Brauch kenne ich übrigens von einer Gemeinde in Heidelberg. Dort beten sie jedes Jahr in einem Gottesdienst für die Obdachlosen, die im vergangenen Jahr verstorben sind. Zu diesen Gottesdiensten kommen etliche Obdachlose. Sie denken an den einen oder anderen, der wie sie ohne Zuhause war. Ich finde das gut, dass Menschen dort auch an die denken, die von vielen aufgegeben worden sind. Die sind doch auch von Gott geliebte Menschenkinder gewesen.
Gut, dass auch ihre Namen genannt worden sind und auch für sie eine Kerze entzündet worden ist.
Gott kennt sie, er vergisst sie nicht. Genauso, wie er meine und Ihre Toten nicht vergisst.

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Nichts gegen den Freitag, nichts gegen den Samstag, aber ich freu mich auf den Sonntag.
Manche finden ja, er sei Zeitverschwendung. Warum kann das Leben sonntags nicht einfach genauso weiterlaufen und weitersausen wie unter der Woche?
Schon der Römer Tacitus hat im ersten Jahrhundert nach Christus über die Juden und ihren heiligen siebten Tag den Kopf geschüttelt. Er hat gesagt: „Dieses seltsame Volk verliert ein Siebtel seines Lebens, indem es einen Tag in der Woche zu Ehren seines Gottes im Nichtstun verbringt."
Gott mit „Nichtstun" ehren. Schließlich hat auch er nach sechs harten Arbeitstagen am berühmten siebten Schöpfungstag einfach nichts getan. Dieser Gott, der nicht nur schafft und macht und tut, der wird am siebten Tag gefeiert. Gott ruht aus. Er ist so frei.
Und er sagt anderen: „Du auch. Du bist auch so frei!" Die alten biblischen Gebote mahnen dazu, selbst den Nutztieren am siebten Tag eine Verschnaufpause zu gönnen.
Ein freier und freigebender Tag.
Mit den Kindern rausgehen, Freunde treffen, in Ruhe miteinander reden, den Streit endlich ausfechten, auf dem Sportplatz jubeln, das Buch zu Ende lesen, die Füße hochlegen, den neuen Wanderweg ausprobieren: ich bin so frei.
Naja, mag dann mancher einwenden: aber so frei bin ich doch auch schon am Samstag. Warum dann ein Hoch auf den Sonntag und nicht einfach ein Hoch auf das freie Wochenende?
Ich finde, der Sonntag unterbricht mich auch bei dem, was ich an diesem Wochenende unbedingt noch hinkriegen wollte und was mich immer noch auf Trab hält.
Ich bin so frei, sonntags im Gottesdienst aufzutauchen: mit anderen singen und beten, klagen und danken, mich von der Bibel her fragen und ermutigen lassen, anderen Gedanken hinterherdenken, mich von dem freiheitsliebenden Gott berühren lassen. Und nachher gehe ich gesegnet weiter. So frei bin ich.
Mag sein, dass ich mit dem Sonntag Zeit verliere, wie alte und neue „Tacitusse" finden. Mag sein. Wenn es so ist, dann verliere ich am Sonntag eben Zeit, so wie ich beim Einatmen Zeit verliere.
Ich brauch' ihn, den Sonntag. Und ich freu mich auf ihn.

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Haben Sie ein „gesegnetes Alter"?
Gefühlsmäßig fängt das ja erst mit etwa 95 an. Oder mit 100. Schade eigentlich. Ich finde, man kann man ein „gesegnetes Alter" auch mit 44 haben oder mit 76. Oder als Knirpslein im Kindergarten-Alter.
Gesegnet bin ich ja nicht, weil ich ein bestimmtes Alter habe,. Gesegnet bin ich, weil Gott mir verspricht: „Ich bin da. Ich bin nicht nur sonstwo, ich bin hier, bei dir. Was auch los sein mag in deinem Leben - ich bin da! "
In der Bibel ist Abraham so etwas wie das Urbild eines gesegneten Menschen. Abraham bekommt den Segen zugesprochen. Trotzdem hat es ihn in seinem Leben ziemlich durchgeschüttelt. Er hat zwischendurch sein Gottvertrauen verloren, er wusste manchmal nicht weiter, er hat seine Ehe aufs Spiel gesetzt, er hatte Ärger in der Familie.
In all dem hat er die Erfahrung gemacht: Gott hält sich nicht raus. Er ist mit dabei: Er tröstet. Manchmal mahnt er. Er fordert mich heraus  Gott baut mich auf. - wie ich es gerade brauche.
Von Abraham lerne ich: ich kann den Segen nicht unbedingt sehen und mit Händen greifen. Ich kann ihn mir einfach nur versprechen lassen, wie das Wort eines Menschen, dem ich vertraue. Und ich merke: es verändert sich in mir etwas, wenn ich Gottes Segen vertraue. Ich bin anders unterwegs, aufmerksamer dafür, dass Gott in mein Leben hineinredet und hineintröstet. Manches kann ich leichter angehen, in dem Vertrauen: „Da ist noch einer, der über mir wacht."
In den Gottesdiensten wird mir das beim Durchstarten zugesprochen: am Ende des Gottesdienstes, beim Durchstarten in die neue Woche. Gesegnet starte ich in meine Zukunft, die vor mir liegt wie ein unbekanntes Land.
Wenn ich gesegnet werde, wird mir keine magische Schutzhaut für Leib und Seele mitgegeben. Ich bin und bleibe ein verletzliches Menschenkind. Begrenzt in meinen Möglichkeiten. Begrenzt in meiner Kraft. Mit den Schwächen und Stärken, die ich jetzt habe. Aber Gott stärkt mich. Er leitet und führt mich. Manchmal pfeift er mich zurück.
Bei Gott bin ich gut aufgehoben, auch in meinen schlimmsten Zeiten. Das ist für mich ein Segen. Tag für Tag.

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Mitten im Leben beten, das hat was.
Ein Kollege hat mir von einer ungewöhnlichen Zugfahrt erzählt. In seinem Abteil waren noch ein Herr mit Laptop, eine ältere Dame mit Strickzeug und eine Mutter mit kleinem Jungen und großem Bilderbuch. Das Bilderbuch war so eines, in dem Berufe vorgestellt werden. Ein Bäcker backt, ein Rennfahrer fährt Rennen usw. Auf einmal, so hat mein Kollege erzählt, schaut der kleine Junge ihn an und fragt: „Und was bist du?" „Ich bin Pfarrer," hat der Kollege geantwortet. Und der Junge (noch beschäftigt mit „Ein Bäcker backt, ein Rennfahrer fährt Rennen") denkt kurz nach und fragt dann: „Kannst du beten?" Darauf mein Kollege: „Ja!" Und der Knirps: „Bet mal!"
Ich kann mir richtig vorstellen, was dann passiert ist: Der Laptop hat umgehend aufgehört zu laptopen, die Stricknadeln haben aufgehört zu klappern und der Mutter des Knaben war es total peinlich.
Aber was blieb dem Kollegen schon übrig? Notgedrungen faltete er die Hände und war einen Moment still.
Was kann man beten, mitten im Leben?
Im Grunde, so erzählt er, hat er dann einfach mit Gott geredet. Hat gedankt für den Tag und für das Zugfahren. „Und bitte behüte uns. Pass auf uns auf - auch nachher, wenn wir aussteigen." Nach dem „Amen!" haben sich alle wieder erholt und die Zugfahrt ging normal weiter.
Seit  mir der Kollege von dieser Zugfahrt erzählt hat begleitet mich diese Aufforderung des kleinen Jungen: „Bet mal!"
Mitten im Leben kann ich beten. Einfach mit Gott reden. Es geht gar nicht darum, an einem heiligen Ort heilige Worte zu sprechen. Wenn ich bete, müssen das keine wohlgesetzten Worte sein. Der Stoßseufzer Richtung Gott, wenn mir etwas schwer zu schaffen macht, der ist ein Gebet. Wenn es fröhlich aus mir heraussprudelt: das ist ein Gebet. Wenn ich still an einen Menschen denke, um den ich mich sorge: das ist ein Gebet. Manchmal ist sogar meine geballte Faust ein Gebet.
Mitten im Leben vergesse ich von Zeit zu Zeit, dass ich so einfach mit Gott reden kann. Dann ist es gut, wenn mir jener Junge aus dem Zug wieder einfällt: „Bet mal!" Mitten im Leben.

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„Mensch, ärgere dich nicht": das ist ein Spiel, bei dem es zugeht wie im richtigen Leben.
Schon bei meinen Eltern zuhause haben wir oft „Mensch ärgere dich nicht" gespielt. Und mein Patenkind Marius, 13 Jahre alt und sonst eher PC-Freak, hat neulich keine Ruhe gegeben, bis es 3:2 stand. Für ihn, leider.
Ich vermute, dieses Spiel ist so beliebt, weil es auf dem Brett eben manchmal zugeht wie im richtigen Leben.
Lange keine 6 gewürfelt? Ja, das gibt es: Ich komme nicht immer so voran, wie ich möchte. Auf dem Spielfeld nicht und im Leben auch nicht.
Manchmal kommt aber ausgerechnet dann Bewegung rein, wenn ich nicht damit rechne und eigentlich nichts mehr erwartet habe. Mancher Rückschlag entpuppt sich als ungeahnte neue Chance. Das merke ich aber erst im Nachhinein. In manchen Situationen meines Lebens brauche ich eine Menge Geduld und das Vertrauen: „Gott wird mir heute Kraft geben für heute.
Und morgen wird er mir Kraft geben für morgen."
Im Spiel gegen Marius hatte ich schnell fast alle meine Figuren im Ziel. FAST alle. Da hat er meine letzte erwischt und rausgeworfen. Und nochmal. Und nochmal. Ich konnte jedes Mal gerade wieder von vorn anfangen. Auch das kommt mir irgendwie bekannt vor aus meinem Leben...
Eins noch: Zu manchen Zeiten bin ich mit mehreren Figuren gleichzeitig im Spiel; wir helfen uns gegenseitig. Ein ander Mal ist es ziemlich einsam auf dem Spielfeld und ich muss allein weiter. Manches geht gut allein. Anderes ist schwierig und allein einfach mühsamer. Nicht nur im Spiel, auch im Leben.
EINEN Unterschied zwischen Spiel und Leben finde ich allerdings sehr wichtig:
im richtigen Leben hält einer seine Hand über mir. Gott. Da würfelt kein Schicksal über mein Leben, und auch kein anderer Mensch.
Es hilft mir weiter, daran zu denken und darauf zu vertrauen. Auf Gott zu vertrauen.
Ob mein Lebensweg schnurgerade verläuft oder mehr Biegungen und Rückschläge aufweist, als mir lieb ist,
ob ich mich freue oder ob ich Mensch mich halt doch ärgere:
In allem hält Gott seine Hand über mir.
Das zählt für mich. Es macht mir Mut und baut mich auf.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14039
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„Glaube am Montag" - ein bisschen überrascht habe ich diese Worte auf einem Plakat im Schaukasten vor der Kirche gelesen.
Glaube am Sonntag: das hätte ich da vermutet. Glaube rund um den Gottesdienst. Sonntag und Kirche und Glaube - das gehört irgendwie zusammen.
Aber auf dem Plakat stand: Glaube am Montag. Spannende Idee.
Gott also im Alltag. Naja, wo sollte er eigentlich sonst sein - dieser Gott, von dem ich glaube, dass er in diese Welt hineingeboren wurde? Und wenn Gott mit den Niederungen meines Alltags zu tun hat, dann hat auch der Glaube mit meinem Alltag zu tun. Mit meinem Montag zum Beispiel.
Montags bin ich im Alltag angekommen. Mit all dem, was dazugehört. Spannende Frage: kommt mein Glaube vom Sonntag auch am Montag im Alltag an? Welche Auswirkungen hat mein Glaube auf meinen Alltag? Wie wirkt er sich aus in meinen Alltag?
Christ sein ist nicht nur ein Standpunkt (auf dem ich stehen bleibe), sondern etwas, was mich in Bewegung bringt. Auch in meiner Alltagswelt.
Ich glaube, dass Gott jeden Moment bei mir ist. Auch montags. Also auch in meinem Alltag. Und ich will neu buchstabieren, was das bedeutet.
Glaube hat etwas zu tun damit, wie ich mich zuhause verhalte - gerade, wenn ich nach einem langen Tag k.o. oder genervt heimkomme.
Glaube hat etwas zu tun damit, wofür ich Zeit investiere, wofür ich mich einsetze.
Er hat Auswirkungen darauf, wie ich mich im Streit verhalte, und damit, wie ich über andere rede oder über andere bei Facebook schreibe.
Mein Glaube reibt sich womöglich mit Werten, die im Geschäftsleben gelten oder in meinem Freundeskreis. Und er wirkt ein auf die Frage, welche Leitlinien ich mir für die Politik wünsche, auch auf die Frage, wie die Welt aussehen soll, die wir der nächsten Generation hinterlassen.
Ich glaube, Gott wartet nicht erst in meiner Zukunft auf mich (am nächsten Sonntag oder so), um dort dann irgendetwas Besonderes mit mir anzustellen. Ich glaube, er ist immer da, jeden Tag. Auch jetzt. Auch heute am Montag.
Und morgen auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14038
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