Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Das verzeih ich dir nie!"
Mit dem Satz ist schon so manche Beziehung beerdigt worden.
„Das verzeih ich dir nie!"
Damit ist dann erstmal Ende.
Manche Leute glauben ja, das sei eine richtige Strafe, wenn man jemandem nicht verzeiht. Das würde sich wunderbar als genussvolle Rache eignen.
Unverzeihliches einander immer wieder vor zu werfen.
Es gibt Spezialisten, die werden bei solchen Gelegenheiten nicht etwa hysterisch, sondern historisch und erinnern gnadenlos exakt an Zeit und Stunde des Vergehens:
„Das hast Du damals schon so gemacht. Und jetzt wieder!"
Das verspricht Stellungskrieg ohne Ende.
Wenn ich manchmal als glückloser Vermittler zwischen solche Streithähne treten wollte, hatte ich den Eindruck: die wollten das gar nicht.
Das Feuer der Unversöhnlichkeit, das ich löschen wollte war genau das Feuer, an dem sich beide vorerst wärmten. Es geht doch nichts über eine gepflegte Feindschaft.
Da kann man schön an seinen Vorurteilen festhalten und muss sich selber auch gar nicht in Frage stellen. „Das verzeih ich dir nie!"
Mit diesem Versprechen kann man sich lange den Spaß verderben.
Also nicht nur dem, dem das Versprechen gilt. Nein.
Das fatale an der Unversöhnlichkeit ist, dass es einen selber mit der Zeit unglücklich, ja sogar bitter macht. Es gibt kaum einen größeren Energiefresser als auf Dauer unversöhnt zu sein. Das ist ja so unheimlich anstrengend.
Immer aufpassen, das man nicht mal aus Versehen, freundlich und ein bisschen menschlich ist. Dagegen kann es eine richtig schöne Befreiung sein, wenn wir einander damit überraschen, dass wir doch verzeihen und vergeben können. Das tut so gut, wenn es ehrlich ist. Das macht so frei, wenn beide Seiten sich bewegen. Und glücklich macht es. Alle.
Gerade den, der sich dazu durchringt.
Verzeihen ist eine wunderbar vitale Glückserfahrung. Darum rät Jesus auch auf die Frage, wie oft man möglicher Weise einander verzeihen soll, zur Maxi Lösung. Die Fragesteller hatten ihrerseits schon hoch gepokert und 7 mal angeboten. Nach dem Motto „Über 7 Brücken musst du gehen"! das müsste doch reichen. 7 mal verzeihen. Das ist doch schon allerhand.
Aber Jesus hält nichts von Kontingentierung, ihm macht das Abzählen von Gefälligkeiten keinen Spaß, er hat Lust auf mehr, er will, dass sich die Leute damit gegenseitig verblüffen, dass sie sich 7x70 mal verzeihen.
„Entschuldigung, aber ich werde Dir verzeihen, demnächst, pass gut auf, wenns passiert, dann passierts, da gibts kein Halten mehr."
Was halten Sie davon?
Gibt es vielleicht jemanden, den Sie heute mit diesem Knüller rote Ohren zaubern könnten?
Wie wärs, wenn Sie sich für diesen Montag jemanden aussuchen, dem zu verzeihen wäre, mit dem größten Vergnügen?
Na, dann mal los. Aber schön vorsichtig. Etwas Gutes tun, will sorgsam angegangen sein. Sonst verzeiht uns das unser Gegenüber vielleicht nie!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9920
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