Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Ich möchte nicht in deiner Haut stecken", hörte ich in unserer Straße eine Frau zu einer anderen sagen. Ich bekam nur diesen einen Satz des Gesprächs mit, aber der machte mir unmissverständlich klar: Da geht es jemandem nicht gut. Da ist jemand um seine Situation nicht zu beneiden.

Auch ich habe diesen Satz schon oft gesagt und gedacht: Wenn mir ein anderer erzählt, dass eine schwere Operation ansteht. Wenn ich erfahre, dass eine allein erziehende Mutter um ihren Arbeitsplatz bangen muss. Wenn ich mit bekomme, dass ein junger Mann viel zu früh seine Frau verliert. „Ich möchte nicht in deiner Haut stecken", denke ich dann wie die Frau in unserer Straße.

Und doch: Die beiden Frauen stehen beieinander, sind sich nah - hautnah! Die eine hört der anderen genau zu. Sie ermöglicht der anderen von ihrer Not, ihrer Angst, ihrer Trauer, ihren Schmerzen zu erzählen. Sie fühlt mit und ahnt, wie groß die Not ist. Das ist viel. Sehr viel sogar. Und was sich im Vorübergehen scheinbar abgrenzend anhört, schafft eigentlich Nähe, Offenheit und Mitgefühl.

Wenn Menschen sich in dieser Weise zuwenden, zeigen sie: Dein Kummer lässt mich nicht kalt, dein Problem berührt mich tief, geht mir unter die Haut. „Ich möchte nicht in deiner Haut stecken" heißt dann eigentlich: Ich fühle mich dir hautnah verbunden. Ich bin an deiner Seite.

Gut, dass Menschen sich so nah stehen. Gut, dass Menschen sich in dieser offenen und vertrauensvollen Art begegnen können - mitten am Tag, mitten auf der Straße!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9917
weiterlesen...