SWR2 Wort zum Tag

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Die Psalmen nennt Dorothee Sölle eines der „wichtigsten Lebensmittel". Sie sind   Brot für die Seele. Für mich ist Psalm 23 ein solcher Psalm.
„Der Herr ist mein Hirte, mir mangelt nichts, er weidet mich auf grünen Auen.Zur Ruhe am Wasser führt er mich,neues Leben gibt er mir. Er leitet mich auf Pfaden der Gerechtigkeitum seines Namens willen. Wandere ich auch im finsteren Tal, fürchte ich kein Unheil,denn du bist bei mir ..." (Zürcher Bibel, 2007)
Diese Verse sind ein Bekenntnis, das ein tiefes Vertrauen zu Gott ausdrückt. Wo dieses Lied in Israel angestimmt worden ist, in welcher Lebenslage es gesungen wurde, wissen wir heute nicht mehr. Aber wir wissen: wo im Alten Testament von Gott als Hirte geredet wird, da wird von Schutz des Lebens, von Geborgenheit und Güte Gottes gesungen, die im Leben erfahren werden. 
Dieser Psalm hat seine Geschichte. In ihm haben Generationen vor uns ihr Gottvertrauen ausgesprochen gefunden, und sie haben es mit den Worten dieses Psalms immer neu wiederholen können. Von Gott ist als dem Hüter des Lebens die Rede und zwar gerade im Blick auf Krisen- und Notzeiten, in denen Glück und Bewahrung nicht selbstverständlich sind.
Höre ich in diese Sprache hinein, so weiß ich: das ist bildhafte Rede. „Grüne Auen" und „frisches Wasser" sind Ausdruck für Wohlergehen, das „finstere Tal" ein Bild für Not und Dunkelheit, die zum Leben gehören. Aber diese Bilder wollen heute durchschaut, transparent werden und in die heutige Wirklichkeit des Einzelnen übertragen werden.
Kann ich mein Gottvertrauen heute noch mit diesem Psalm ausdrücken? Ist er für mich Brot für die Seele? Oder muss ich neue Worte finden?
Der Sinn einer Botschaft ist doch, dass sie zu jeder Zeit ihre Gültigkeit nicht verliert. Ich kann das, was der Psalm meint, für mich auch so ausdrücken: Ich erfahre immer wieder in meinem Leben, dass ich geborgen sein kann. Geborgen trotz aller Spannungen, inmitten aller Unruhe, geborgen in gewährter Liebe. Ich habe das Nötige zum Leben. Liebe und Güte finden mich. Wege zeigen sich, obwohl ich oft die Orientierung verliere. Solche Erfahrungen ermutigen mich, trotz Not und Dunkelheit, die ich auch erlebe. Ich hoffe darauf, dass die Erfahrungen von Güte und Liebe mich tragen.
Wer die Botschaft dieses Psalms in heutiger Sprache ausdrücken will, liest und hört nun auch den alten Wortlaut neu. Er liest ihn so, dass die alten Bilder sich füllen können mit eigener Lebensfarbe. So bekommt alter Glaube den Atem neuen Lebens.

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