SWR2 Wort zum Tag

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Jetzt also Dioxin. Das war eigentlich abzusehen. Denn in schöner Regelmäßigkeit schrecken uns Lebensmittelskandale auf. BSE, Gammelfleisch, Glycerin im Wein, radioaktive Pilze, Acrylamid in Kartoffeln, und so weiter und so weiter. Und dann gibt es noch den alltäglichen Lebensmittelwahnsinn: Regenwälder werden für die Fleischproduktion abgeholzt, Erdbeeren im Winter aus Südafrika eingeflogen. Und immer wieder frag ich mich: Was kann ich eigentlich noch essen? Ich erinnere mich, dass ich schon als Kind Achtung vor Lebensmitteln gelernt habe. Bei uns zu Hause war es absolut undenkbar, das Pausenbrot in der Schule wegzuwerfen. Lebensmittel wurden gegessen, bevor sie verdarben. Meine Eltern haben nur eingekauft, was wir auch essen konnten. Niemals mehr. Ich glaube, dass diese Haltung meiner Eltern aus ihrem Glauben stammt. Denn die Achtung vor Lebensmitteln ist auch ein zentraler Grundsatz religiöser Ethik. Wasser und Brot, Wein und Obst, diese Grundnahrungsmittel bilden einen Kern christlicher Symbolik. Ohne sie ist religiöses Leben, ist Gottesdienst eigentlich undenkbar. Und ohne sie ist menschliches Leben unvorstellbar. Lebensmittel, das haben mir meine Eltern eingeimpft, sind nicht bloß Waren. Im Umgang mit ihnen spiegelt sich vielmehr die Einstellung des Menschen zu Welt und Gott. In einer Zeit der Massenproduktion fällt es zunehmend schwer, diese Position durchzuhalten. Es gibt schließlich im Überfluss von allem - und noch mehr. Und wenn mal ein Brot für zwei Euro vergammelt - was soll's? Kauf ich halt ein Neues. Der moderne Massenkonsum hat da keine Skrupel. Und ich merke selbst bei mir, dass diese Haltung Fuß fasst. Unsere Lebensmittelskandale aber wecken mich mit immer wieder auf. Sie sagen ja, dass Lebensmittel heute vor allem Waren sind, die gewinnbringend verkauft werden müssen. Mit der Schöpfung und einem guten Umgang mit Mensch und Natur hat das wenig zu tun. Solche Überlegungen klingen heute seltsam antiquiert. Und ich erlebe, wie schwer das ist, die achtungsvolle Haltung im Umgang mit Lebensmitteln meinen Kindern weiterzugeben. Wenn das angebissene Pausenbrot beim Abendessen auf den Tisch kommt, verziehen sie manchmal das Gesicht. Und doch bin ich mir sicher: Wenn wir keine Achtung, keinen Respekt vor Lebensmitteln lernen, wenn Lebensmittel nur dazu sind, Hunger zu befriedigen und Kasse zu machen, dann kommen die nächsten  Lebensmittelskandale schneller und schneller.

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