SWR3 Gedanken

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Intensivstation. Ein Freund von mir liegt auf der Intensivstation.  Das Team der Ärzte und Pfleger kümmert sich intensiv um ihn. Tag und Nacht. Ruhig, professionell, freundlich. Nur an den Rändern unter den Augen von Manchen sieht man wie gestresst sie sind. Intensiv auch der Einsatz der Technik. Beatmungsschlauch, EKG, Pulsoxymeter, Monitor, Thorax-Drainage, Urinkatheter, Venenkatheter, Magensonde, Absaugapparat.  Ein Gewirr von Kurven, Schläuchen und Leuchtziffern. Kein schöner Anblick, nicht nur wegen der vielen Technik. Aber ohne sie wäre mein Freund wahrscheinlich schon tot. Intensiv auch die Gerüche - nach Desinfektionsmittel und Blut. Es ist ein Ort der Lebensverdichtung so eine Intensivstation. Das Leben auf' s Heftigste: Der Autounfall neben der Hirnblutung, der junge Mensch neben dem alten. Schicksale am Bett. Der Vater bei seinem Sohn, die Tochter bei der hochbetagten Mutter und die Frau am Bett eines Mannes... Sie schaut aus dem Fenster mit einem Blick, der mich mehr bedrückt als die ganze Notfallatmosphäre der Intensivstation. Im Warteraum auf dem Flur ist ein Foto, an dem mein Blick jedes Mal hängen bleibt: Der Salto eines Trapezkünstlers in Mehrfachaufnahme. So oft aufgenommen bis eine Umdrehung abgedreht ist. Mal auf dem Kopf stehend, mal in Seitenlage, aber alles frei schwebend, in einer Körperhaltung wie ein Embryo. Neben, über und unter ihm auf dunklem Blau die Lichter der Zirkuskuppel, leuchtend wie Sterne. Und darin schwebt er, losgelöst, im Niemandsland zwischen Himmel und Erde, zwischen Leben und Tod. Bis er wieder Halt findet. An den Händen der Menschen oder in einem großen weichen Netz.

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