SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Es gibt Tage, die sollen nicht sein. Es gibt Tage, die man am besten vergessen möchte. Ich habe noch kein Geheimrezept gefunden, wie man mit solchen Tagen umgehen kann. Aber ich kenne eine Geschichte, die mich dazu berührt hat:
Es war einmal ein weiser Mann. Er lebte allein in einem alten Haus inmitten eines großen Gartens. Eines Tages hört der Mann eine Stimme: „Geh und sammle bei den Menschen die Tage, die nicht sein sollen!"
Der Mann folgt der Stimme und lässt sich von den Winden in alle Himmelsrichtungen tragen. Überall hin, wo es Tage gab, die nicht sein sollten. Er sammelt Tage, an denen Menschen ihr Liebstes verloren haben. Er sammelt Tage, an denen ein Mensch einfach unerträgliche Schmerzen aushalten musste. Er sammelt Tage ohne Trost, Tage, an denen das Leben eine Last ist, Tage des Zorns. Der Mann sammelt sie alle.
Er lässt sich von dem Wind zurück in seinen Garten bringen und legt die Tage wie Samen in die Erde. Dann fällt der Regen auf die Erde, die Sonne gibt ihr Licht und schließlich bedeckt der Schnee alles.
Im nächsten Frühling wachsen Blumen und Bäume und die Menschen kommen und bestaunen alles. So einen schönen Garten haben sie schon lange nicht mehr gesehen.
Ach wenn es doch so einfach wäre mit den Tagen, die nicht sein sollen. Vielleicht gelingt es uns ja doch, nicht alle diese Tage mit in das Neue Jahr zu nehmen. Vielleicht können wir den ein oder anderen wie ein Samenkorn in die Erde legen und darauf hoffen, dass daraus eine Blume wird. Und wenn wir dann im nächsten Jahr in einen Garten oder in einen Park kommen und die ersten Blumen blühen sehen, dann können wir uns ja daran erinnern, dass aus einem Tag, der nicht sein sollte, vielleicht doch noch etwas Gutes und Schönes geworden ist. Und das braucht eben seine Zeit.
Von dieser Hoffnung möchte ich etwas mitnehmen in das Neue Jahr, das in wenigen Tagen beginnt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9706
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