SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

- die Geschichte einer Begegnung 

Zu den Bildern und Geschichten der Weihnachtszeit gehört die Begegnung von Maria und Elisabeth. Maria - so heißt es - macht sich auf den Weg zu ihrer Cousine Elisabeth, nachdem sie einen „Besuch" empfangen hat. Ein Engel - sagt die Bibel - war bei ihr eingetreten und hatte zu ihr gesprochen, ihr die Geburt Jesu angekündigt. Maria hatte gehört, hatte gefragt und nachgefragt, hatte den Engel zum weiteren Sprechen bewogen - ein langes Gespräch wird uns von den beiden berichtet. Die innere Bewegung durch dieses Gespräch setzt Maria in äußere Bewegung um; sie bricht auf, um eine andere Frau zu besuchen. Auch Elisabeth ist schwanger. Auch sie ist beschenkt worden mit einer Gottesbotschaft. Zwei Frauen, die ein Kind erwarten, von dem sie wissen, dass es nicht nur ihrem Wunsch und Wollen entstammt - es ist wie ein Gleichnis für die Begegnung von Menschen, die eine besondere Erfahrung bewegt. Sie sind ergriffen, verstehen nicht, weil das Neue alles Bekannte auf den Kopf stellt. Dann überlegen sie nicht lang. Sie wissen, zu wem sie Vertrauen haben und wem sie erzählen möchten, was sie selber noch gar nicht richtig einordnen können. Auf diesen Menschen gehen sie zu. Dann kann es zu einer ähnlichen Begegnung kommen wie der zwischen Maria und Elisabeth: Die eine sieht im Gesicht der anderen schon den Widerschein des eigenen Staunens, der eigenen Betroffenheit. Beide geraten in den Sog eines Geschehens, zu dem sie selber nichts beigetragen haben - außer, dass sie offene Augen und Ohren dafür hatten. Gemeinsam stehen sie an der Schwelle von etwas Neuem, dem sie in ihrem Leben Raum geben können. Gegenseitig können sie sich dazu ermutigen. Maria und Elisabeth wissen beide, dass das neue Leben, dem sie Raum geben, seinen Ursprung dem Geist Gottes verdankt. In Maria und Elisabeth kommen zwei Menschen zusammen, die zulassen, dass der Geist sie erfüllt und bewegt. Bei ihrer Begegnung ist es, wie wenn der Geist, der die beiden Frauen an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit und unter anderer Gestalt inspiriert hat, sich in ihnen wiedererkennt: Dieses Wiedererkennen mündet in einen Jubelruf, ein Freudenlied, das in der Bibel seinen schönsten Ausdruck im Magnifikat gefunden hat. Wir dürfen uns vorstellen, dass es nicht nur Maria gesungen hat, sondern auch Elisabeth - genauso wie wir heute: „Meine Seele preist Gott. Er ist groß. Sein Name ist heilig. Sein Erbarmen gilt allen." (Lk 1,46-50)

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