SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

 - zur Weihnachtsbotschaft des Johannesevangeliums.  

Er erzählt keine Geschichte von Jesu Geburt, der Evangelist Johannes. Stattdessen beginnt er sein Evangelium von Jesus Christus mit einem Vorwort, einem Prolog. Es ist ein Gedicht von großer sprachlicher Schönheit und inhaltlicher Tiefe. Walter Jens hat diesen Prolog neu übersetzt: „Am Anfang: ER, das Wort. Durch das Wort wurde alles. Nichts, was ist, ist ohne IHN. Er: das Leben. Er: das Licht für die Menschen. Das Licht in der Nacht: nicht überwältigt von der Finsternis. Er: das Wort, er wurde Fleisch. Mensch unter Menschen war er bei uns." (Die vier Evangelien, Stuttgart 2003, 263) Johannes deutet in diesem Lied das Geborenwerden Jesu, sein Kommen in die  Welt, als ein Wort von Gott her, als Wort, das ergeht und das vernommen werden kann, das also Beziehung stiftet. Für Johannes ist Jesus Christus das greifbare Zeichen für die lebendige und innige Beziehung, die Gott mit den Menschen verbindet. Im Leben dieses Menschen aus Nazareth sagt Gott, was er von sich mitteilen will. Das Wort, das Gott an die Menschen richtet, sagt er nicht in den Reden weiser Menschen. Er sagt es auch nicht in den Sätzen religiöser Lehren und heiliger Schriften. Er sagt es - so Johannes - „im Fleisch", im Leben eines Menschen. In Jesus ist Gottes Wort „Fleisch" geworden. Für Johannes ist das eine Aussage über ein Ereignis in der Geschichte, aber ebenso die Ankündigung dessen,  was sich immer wieder, was sich heute und was sich auch in Zukunft ereignen kann. „Das Wort ist Fleisch geworden". Was Johannes wie eine Ouvertüre an den Anfang seines Evangeliums stellt, ist die Grundmelodie für all das, was er dann in seinem Evangelium von Jesus Christus schreibt. Im Geborenwerden dieses Kindes spricht Gott zu den Menschen; im Heranwachsen des jungen Menschen Jesus, der seinen eigenen Weg sucht, spricht Gott zu den Menschen; in der Parteinahme Jesu für die Kleinen, die Geplagten, die Abhängigen, spricht Gott zu den Menschen; im Preis seines Lebens, den Jesus für seine Parteinahme bezahlt, spricht Gott zu den Menschen; in der Auferweckung Jesu von den Toten und seiner Erhöhung, ist das Wort Gottes für die Menschen. Wenn die ganze Geschichte des Jesus von Nazareth also das Wort ist, das Gott über sich selber sagen will, dann bedeutet das: Im Leben eines jeden Menschen kann Gott sich mitteilen. Das ist es, was wir an Weihnachten feiern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9663
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