SWR3 Gedanken

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Wie viel kostet eigentlich etwas Menschlichkeit? Eine Zeitung stellte vor einiger Zeit diese irritierende Frage. Als ob Menschlichkeit käuflich wäre. Aber weil wir inzwischen gewohnt sind, alles nach ökonomischen Kriterien zu bewerten, liegt die Frage vielleicht doch nicht so fern. 
Eine Mitarbeiterin unserer kirchlichen Sozialstation erzählte mir einmal von ihrer Arbeit mit alten, kranken und oft einsamen Menschen. Jeden Tag ist sie viele Kilometer unterwegs, um Menschen bei ihren täglichen Dingen zu helfen. Sie sprach davon, dass es genaue Vorgaben gibt, wie lange etwas dauern darf. Die Hilfe beim Waschen, beim Anziehen oder Duschen. Das Verabreichen der Insulinspritze. Alles genau aufgelistet und entsprechend vergütet. Aber eben nur dies und nichts mehr. Und wie viel kostet etwas Menschlichkeit? Die kommt in der Liste logischerweise nicht vor. Die ist gratis. Die Mitarbeiterin gibt sie einfach dazu. Dann erzählte sie aber auch von ihrem Frust. Von der Unmöglichkeit, im engen Zeitraster einfach mal länger zuzuhören. Mal nachzufragen, was da auf der Seele liegt. Ein bisschen Trost zu spenden, wenn jemand traurig ist. Sie macht es trotzdem immer wieder und riskiert dabei jedes Mal, ihren eng getakteten Zeitplan durcheinander zu bringen. Denn Zeit ist Geld und Menschlichkeit, gibt'sschließlichgratis. Genau genommen lebt diese Mitarbeiterin jede Woche das vor, wovon Weihnachten eigentlich erzählt. Von der Menschwerdung nämlich. Und wo sollte Gott heute wohl Mensch werden, wenn nicht im Menschen. In uns selbst oder jedem anderen, der uns heute wieder mit einer Gratisportion Menschlichkeit begegnet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9650
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