SWR3 Gedanken

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Wartezeit

„Wegen einer Störung im Betriebsablauf wird der ICE nach München 40 Minuten später eintreffen. Wir bitten um Verständnis." Unverhofft warten zu müssen, kann ganz schön auf die Nerven gehen. Nicht nur auf Bahnhöfen, sondern auch im Stau auf der Autobahn oder weil ein bestimmter Kollege zum Meeting immer wieder zu spät kommt. Warten, für viele von uns ist das vor allem verplemperte Zeit und im Beruf nicht selten auch verplempertes Geld. Ist ja auch schwierig, in einer Gesellschaft, die immer mehr auf Höchstgeschwindigkeit getrimmt wird. Da werden etwa Milliarden investiert, um eine Bahnstrecke zwanzig Minuten schneller zu machen. Das erträumte, doch nie erreichbare Ziel hinter allen Optimierungen scheint eigentlich „just in time" zu heißen. Alles sofort und im passenden Augenblick. Kein Zeitverlust mehr. Kein Warten. Der Advent, der nun langsam zu Ende geht, scheint da ziemlich aus der Zeit gefallen. Denn in ihm geht es vier Wochen lang im Wesentlichen genau darum. Um das Warten. Doch worauf? Aufs Christkind, auf die Geschenke, auf den Skiurlaub? Dinge, die inzwischen so planbar erscheinen wie ein Termin in der Autowerkstatt. Worauf warten wir eigentlich wirklich noch? Worauf warte ich? Was ist meine Sehnsucht, was wünsche ich mir tatsächlich? Dem nachzuspüren, dazu brauche ich allerdings Zeit und Ruhe. Zeit mal ganz für mich. Das geht nicht just in time. Zeit, die dann auch keine verplemperte Zeit mehr ist, sondern vielmehr eine sehr gefüllte. Man müsste nur bereit sein, sie sich auch zu gönnen.

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