Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Noch acht Tage bis Heiligabend. Viele freuen sich aufs Fest. Aber mancher schaut auch mit gemischten Gefühlen auf die Weihnachtstage. Denn am Fest des Friedens wird besonders offensichtlich, wo Streit und Unfrieden herrschen. Da hat sich die Tochter mit den Eltern vor langer Zeit überworfen - und nun haben ihre Eltern die Enkelkinder noch nie gesehen. Oder die Geschwister haben sich wegen des Erbes der Mutter fürchterlich in die Haare bekommen - und sprechen seitdem kein Wort mehr miteinander. Man redet oft nicht viel über diese großen Zerwürfnisse. Aber sie nagen an den Menschen. Sie tun in der Seele weh - gerade zu Weihnachten. Aber wie soll man rauskommen aus dieser Spirale aus Verletzungen und Schweigen, die sich aufgebaut hat in all den Jahren? Versöhnung, das ist ein großes, schönes Wort - aber sie zu erreichen ist oft unendlich schwer. Am schwierigsten sind die ersten Schritte. Wieso soll ich den Anfang machen? fragt man sich. Der andere hat mich schließlich damals so verletzt. Hat mir unglaubliche Gehässigkeiten an den Kopf geworfen. Hat sich einfach nie gemeldet. Hat mich vermutlich längst vergessen. Aber vielleicht geht es dem andern ja ähnlich. Und es braucht einen, der den Anfang riskiert. Der sich überwindet, sich ein Herz fasst. Vielleicht könnte ich einen Brief schreiben, jetzt vor Weihnachten, oder eine Email. Könnte schreiben: Ich denk an dich. Immer noch mit viel Groll. Aber ich vermisse dich auch. Ich kann dir nicht alles verzeihen. Aber ich würde gerne mal wieder von dir hören oder mit dir reden. Es gibt da in der Bibel diese berühmte Geschichte vom verlorenen Sohn und barmherzigen Vater. Beide gehen nach langer Zeit der Trennung Schritte aufeinander zu - und am Ende feiern sie miteinander ein großes Fest der Versöhnung. So ein Happy end gibt es nicht immer. Aber auch die ersten Schritte aufeinander zu können ja schon etwas sehr Feierliches sein. Einen Feiertag der Versöhnung begehen heute die Südafrikaner. Damals nach der Apartheid sind sie unglaubliche Schritte der Versöhnung aufeinander zu gegangen, nach Jahrzehnten voller schrecklicher Verletzungen. Versöhnung, sagt mir das, ist einerseits schwer. Aber: Wenn sie in Gang kommt, wenn die ersten Schritte gelingen: Dann kann sie auch eine unglaubliche Freude sein, ein Fest der Versöhnung.

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