Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Immer, wenn das Telefon nicht klingelt, weiß ich, es ist für mich." Ein seltsamer Satz; aber auch ein wichtiger Satz, für alle, bei denen das Telefon nicht so oft klingelt. Zum Beispiel für Elfriede M. (80Jahre), Witwe, zwei Kinder und drei Enkelkinder. Die Kinder leben weit verstreut. Tochter Birgit, verheiratet, zwei Kinder, lebt in Bad Vilbel bei Frankfurt, Reihenhaus mit Garten, ihr Mann ist Banker. Sie ist zuhause, kümmert sich um die Kinder Dominik und Ann Katrin, sieben und zwölf Jahre alt. Tochter Susanne, allein erziehende Mutter in Berlin, schlägt sich mit einer Dreiviertelstelle als Sozialarbeiterin durch. Ihr Sohn Christopher ist schon 17, als Kind kam er die Oma jedes Jahr für mehrere Tage besuchen, jetzt hat er dafür keine Zeit und wohl auch keine Lust mehr, verständlich. Wenn Elfriede M. sie bräuchte, wären sie da, ihre Kinder. Es sind ohne Übertreibung gute Kinder, aber sie haben ihre eigenen Sorgen, Alle paar Wochen rufen sie mal an, aber meist schweigt das Telefon. „Immer, wenn das Telefon nicht klingelt, weiß ich, es ist für mich." Elfriede M. weiß, ihre Kinder sind da. Und nicht nur die, auch ihre Schwester Magda mit Schwager Georg und auch noch ein Paar Freunde. Nicht mehr so viele, denn jedes Jahr werden es weniger. Die Stille ist keine Leere. Doch es ist nicht immer einfach, sich das klar zu machen, wenn das Telefon partout nicht klingeln will.
Manchmal aber durchbricht Elfriede M. selbst die Stille . Sie weiß: Mit dem Telefon kann man ja nicht nur angerufen werden. Man kann selbst zum Hörer greifen und die Kinder, die Schwester, den Schwager und die verbliebenen Freunde - auch wenn es nur noch wenige sind - anrufen. Vielleicht sitzt am anderen Ende der Leitung ja auch einer, der über den Satz nachdenkt: „Immer, wenn das Telefon nicht klingelt, weiß ich, es ist für mich."

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